Das Geheimnis der schönen Catherine
einfach zusehen.« Catherine seufzte entnervt. Aufgebracht packte er sie bei den Schultern und schüttelte sie. »Jetzt hören Sie mir endlich zu. Wissen Sie denn nicht, was mit Ihnen passieren wird, wenn man Sie erwischt? Möchten Sie wirklich vom nächsten Galgen baumeln? Was haben Sie mit den Dingern gemacht? Geben Sie sie mir – ich werde sie zurückbringen, und keiner wird fragen, wo sie herkommen.« Catherines Herz schlug rasend schnell, aber sie schaffte es, die Fassung zu wahren und kläglich zu fragen: »Was für Dinger? Ich verstehe immer noch nicht, wovon Sie reden!« Wieder schüttelte er sie. »Oh… Sie … Sie! Sie machen mich wirklich wütend! Was glauben Sie wohl, was mit Ihrer armen Tante passieren wird? Haben Sie daran je einen Gedanken verschwendet? Naa?« Catherine spürte Zorn und Schuldgefühle in sich aufsteigen. Wie konnte er es wagen, sie das zu fragen, wo sie sich doch gerade über ihre Tante, ob echte Tante oder nicht, die meisten Gedanken machte? »Meine Tante geht Sie überhaupt nichts an, Mr. Devenish. Und lassen Sie mich bitte los! Ich fühle mich unwohl.«
»Seien Sie froh, dass ich Sie nicht eigenhändig erwürge!«
»Lassen Sie mich sofort los – sofort!«
»Das werde ich – aber erst gestehen Sie, was Sie getan haben.«
»Ich gebe gar nichts zu! Und was ich tue, geht Sie überhaupt nichts an.«
»Es geht mich doch etwas an!« Noch einmal schüttelte er sie und blickte sie wütend an. Seine langen, starken Finger glitten von ihren Schultern zu ihren Oberarmen und packten sie mit bemerkenswerter Kraft. Catherine spürte die Wärme seiner Hände durch den dünnen Stoff hindurch. Es fühlte sich an, als drückte er ihr für alle Zeiten sein Brandzeichen auf. Schon viele Männer hatten sie gegen ihren Willen festgehalten, aber sie hatte ihnen immer entfliehen können. Sie hatte noch einige Tricks auf Lager, von denen Mr. Devenish auch schon ein paar zu spüren bekommen hatte, aber merkwürdigerweise wollte sie sie nicht anwenden. Ärgerlich wand sie sich und versuchte, ihn abzuschütteln. »Lassen Sie mich los! Ich werde nicht …«
»Ich lasse Sie erst los, wenn Sie mir die Wahrheit gesagt haben.«
»Die Wahrheit? Die ganze Wahrheit ist, dass Sie mich gegen meinen Willen hierher geschleppt haben und mich gegen meinen Willen hier festhalten.«
»Ich werde Sie freilassen, sobald Sie ein Geständnis abgelegt haben.« Seine Stimme wurde weicher. »Sie können mir vertrauen, das wissen Sie doch.« Auch wenn sie nur verächtlich schnaubte, hätte ein Teil von ihr sich ihm am liebsten anvertraut. Sie hatte ein heiliges Versprechen abgelegt. Wenn er die ganze Geschichte kennen würde, würde er verstehen, dass das, was sie tat, moralisch gerechtfertigt war. Aber würde er sie wirklich verstehen können? Nein. Er war ein aufrechter Engländer. Die Engländer vergötterten den Besitz. Wie sagten sie so schön? »Das Recht steht auf der Seite der Besitzenden.« Wie könnte er sie da verstehen? Er würde sie als Diebin, als Kriminelle betrachten. Nein, es war besser, er blieb argwöhnisch, aber im Ungewissen, statt zu bestätigen, dass sie etwas war, was er als anständiger Engländer nur verachten konnte. Lieber Zorn und Hass als Verachtung. »Lassen Sie mich lo…« Sie versuchte seine Hände abzuschütteln, aber er war zu stark. Sie bäumte sich auf und wand sich, dann versuchte sie ihn mit den Fäusten zu schlagen.
Hugo packte ihre Hände mit einer Hand, während er sie mit der anderen an der Flucht hinderte. Sie rangelten, bis Catherine plötzlich mit dem Rücken zur Wand stand. Er wollte ihr nicht wehtun, er ließ sie nur nicht gehen. Noch nie hatte jemand sie so in die Falle getrieben, sie mit seinem Körper so festgehalten. Sie erschrak. Aus Verzweiflung hob sie das Knie, um es ihm mit einem unhöflichen Manöver zwischen die Beine zu rammen. Er fluchte und wich ihr aus, indem er sie mit seinem ganzen Körpergewicht an die Wand drückte. »Unterstehen Sie sich! Also …« Dann erstarrte er. Völlig entsetzt blickte er sie an. Sie waren so eng aneinander gepresst, dass sich ihr sein Schock über die plötzliche Erkenntnis förmlich mitteilte. »Mein Gott! Das ist nicht das erste Mal, dass Sie das getan haben – wir haben schon einmal miteinander gerungen, nicht wahr? Hinter dem Haus Ihrer Tante. Himmel und Hölle! Eine Frau!«
»Pah.« Er blickte ihr tief in die Augen, schockiert, wütend, ungläubig. »Sie brauchen gar nicht zu leugnen. Ich weiß, was ich spüre. Sie haben
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