Das Geheimnis der schönen Catherine
Und Sir William Marsden ist wirklich ein Schatz. Er war ein enger Freund deines Vaters – damals wurde er noch Billy Marsden genannt –, wir wuchsen zusammen auf, wie du sicher weißt.« Catherine nickte.
»Ja, Tante Rose. Mein Vater hat Sir William Marsden erwähnt.« Allerdings hat er das. »Aber wenn du nicht mitkommen willst, dann sag es mir. Ich bleibe auch gerne mit dir in London.«
»Nein, nein«, erklärte Catherine hastig. »Ich freue mich auf das Landleben. Du vergisst, dass ich noch nie auf einem englischen Landsitz war. Für mich ist das alles sehr aufregend.«
»Wie merkwürdig mir das vorkommt – noch nie auf einem Landsitz gewesen, nein, wirklich! Aber gut, wenn du dir sicher bist, Kindchen, schreibe ich Julia, dass wir ihre Einladung mit Freuden annehmen und Ende der Woche kommen.«
Rose strahlte vor Zufriedenheit. »Ihr Haus wird dir bestimmt gefallen. Es ist richtig hübsch, mit einem wundervollen Park. Es gibt sogar einen See, auf dem man mit dem Boot fahren kann, wenn das Wetter gut ist. Und natürlich ist es auch nicht weit zur See.« Catherine lächelte ihre Tante an. Rose freute sich offensichtlich schon sehr auf die Landpartie im Haus der Marsdens, und trotzdem war sie bereit gewesen, um Catherines willen auf ihr Vergnügen zu verzichten. Niemand außer Maggie hatte je ihr Wohlergehen über sein eigenes gestellt.
Das war wirklich herzerwärmend, und Catherine kam sich sehr undankbar vor. Schließlich benutzte sie Rose nur, auch wenn es einem guten Zweck diente. Und was den Landausflug anging – der erschien ihr wie ein Geschenk des Himmels. Seit Wochen hatte sie gegrübelt, wie sie sich Zutritt zum Haus der Marsdens verschaffen könnte. Und nun, ohne jedes Zutun von ihrer Seite, fügte sich eins zum anderen. Genau zur richtigen Zeit. Jetzt, wo das vierte Fach gefüllt war, war es klug, eine Zeit lang aus London zu verschwinden. Die Leute spekulierten schon viel zu viel. Es war nicht klug, das Schicksal zu oft herauszufordern, und es war gut, wenn die Aufregung über die Diebstähle ein wenig abebbte. Außerdem entzog sie sich dadurch Mr. Devenish. Sie seufzte unwillkürlich, als sie an ihn dachte. Ja, es war besser, London den Rücken zu kehren. Und der Versuchung. Heirate mich! Sie schloss die Augen. Natürlich konnte sie das nicht tun, aber ach, die Versuchung, einfach Ja zu sagen … Wie schwer es ihr fiel, eine Wahl zu treffen zwischen dem Versprechen, die Ehre ihres Vaters wiederherzustellen, und ihrem persönlichen Glück. Was ihr Vater auf seinem Sterbebett gesagt hatte, klang ihr noch in den Ohren: Ihr Frauen habt überhaupt keine Ahnung, was Ehre ist. Euer Verstand wird von euren Gefühlen in Mitleidenschaft gezogen. Im Moment fühlte sich Catherine wirklich immens von ihren Gefühlen beeinträchtigt. Der Vierspänner bog von der Straße ab und fuhr durch zwei riesige Torpfosten auf einen kiesbestreuten Weg, der sich zum Landsitz der Marsdens schlängelte. Woodsden Manor war ein wunderschönes Haus aus der Zeit Königin Elizabeths. Es war auf einer natürlichen Erhebung gebaut worden und von umfriedeten Terrassen umgeben. Vom Haus aus hatte man einen Blick über das ganze Tal. Im Osten war ein Park angelegt worden, an den sich ein großer, düsterer Wald anschloss. Im Westen befand sich offenbar der Küchengarten. Zumindest vermutete Catherine dies angesichts der hohen Mauern aus verwitterten grauen Steinen. Vor dem Anwesen erstreckte sich ein wunderschöner Rosengarten. »Siehst du den Rosengarten, Catherine?«
»Ja, Tante Rose. Bezaubernd sieht er aus.«
»Er ist Lady Marsdens ganzer Stolz, musst du wissen. Sir William hat ihn einmal als Geburtstagsgeschenk für sie anlegen lassen; er ist dem Rosengarten ihres Elternhauses nachempfunden, der wohl sehr alt ist. In der Mitte des Gartens befindet sich ein kleiner Pavillon. Wenn man dort sitzt, riecht man nichts als Rosenduft. Julia – also Lady Marsden – spricht immer von ihrem Hain.« Sie lachte. »Sir William, der sich jeden romantischen Gedanken verbittet, nennt den Garten nur den ›Rosenwahnsinn‹. Er ist eigentlich furchtbar sentimental, musst du wissen, aber er hat schreckliche Angst, dass es irgendjemand bemerkt.« Catherine lachte. Wie schön wäre es, wenn ihr einmal jemand einen Rosengarten schenkte – nicht dass sie dabei an jemand Bestimmten gedacht hätte. Es war ein wunderbar romantisches Geschenk, und sie fand Sir William und Lady Marsden schon sympathisch, bevor sie ihnen überhaupt begegnet war. Auch
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