Das Geheimnis der schönen Catherine
wenn sie wünschte, es wäre nicht so. Denn wenn Sir William seine Frau geschlagen hätte, statt ihr Rosengärten zu schenken, wäre Catherine ihr Vorhaben sehr viel leichter gefallen. Zwei Dienstboten eilten ihnen entgegen, während der Wagen über den gepflasterten Vorhof zur Eingangstür holperte. Als einer der Diener die Treppe des Vierspänners heruntergelassen hatte, um ihnen das Aussteigen zu erleichtern, kamen auch Sir William und Lady Marsden aus dem Haus, um sie zu begrüßen. »Wie schön, dich zu sehen, Rose, meine Liebe«, sagte Lady Marsden. »Ach, ich bin so froh, dass du kommen konntest! Wir haben uns schon eine Ewigkeit nicht mehr gesehen – oh, ich weiß, wir haben uns in der Stadt getroffen, aber das war ja nur für ein paar Minuten – und nun, wo du hier bist, können wir uns endlich in aller Ruhe unterhalten!« Liebevoll umarmten sich die beiden Damen. Catherine hielt sich lächelnd im Hintergrund. Es war offensichtlich, dass Rose und Lady Marsden sehr eng befreundet waren. »Und das ist wohl Ihre Nichte?« rief Sir William und strahlte Catherine an, die daraufhin höflich knickste. »Ja, das ist meine Nichte Miss Catherine Singleton«, erklärte Rose. »Dann herzlich willkommen, Miss Singleton. Wir dürfen Sie doch Miss Catherine nennen? So viele Singleton-Damen! Für die Dauer Ihres Aufenthalts nennen wir sie Miss Catherine und Miss Rose, einverstanden?«
»Aber natürlich«, erklärte Catherine freundlich. Sie war überrascht. Sir William sah sie mit aufrichtiger Herzensgüte an.
Und doch war er einer der Männer auf der Liste ihres Vaters. Lächelnd bot er Catherine nun den Arm.
Sie holte tief Luft und hakte sich bei ihm ein. Auf ein paar unangenehme Momente war sie gefasst gewesen, sie hatte dieser Situation sogar mit einer gewissen Furcht entgegengesehen, denn dies war der erste Feind ihres Vaters, dem sie von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen würde. Aber jetzt … Erleichtert atmete sie auf. »Sie sind wahrscheinlich müde von der Reise, Miss Catherine, nicht wahr?« erkundigte sich Sir William väterlich besorgt, während er sie nach drinnen führte. »Nein, Sir.
Die Reise war nicht anstrengend – die Straßen in England sind hervorragend. Ich habe nur die gute Luft eingesogen«, erklärte Catherine. »So rein und frisch. In London ist die Luft furchtbar schlecht, finden Sie nicht auch?«
»Nun, hier werden sich Ihre Lungen schon wieder erholen«, meinte ihr Gastgeber gutmütig und lachte laut. »Reiten Sie denn gerne aus, junge Dame?«
»Oh, sehr gern.«
»Wie schön. Vielleicht hätten Sie nach einer kleinen Erfrischung Lust, sich meine Pferde anzusehen, Miss Catherine? Ich möchte wetten, dass Ihnen ein oder zwei Tiere gefallen. Vielleicht wollen Sie sich eines für einen Ritt morgen aussuchen? Natürlich nur, wenn Sie Lust haben …«
»Ich wäre entzückt, Sir William! Um ehrlich zu sein, reiten tue ich lieber als alles andere.« Sie traten ins Haus. Beiläufig wies ihr Begleiter Catherine auf ein paar Dinge hin, von denen er glaubte, dass sie ihr Interesse finden könnten. Und Catherine war interessiert. Trotz seiner eher lauten und derben Art war Sir William ein feinfühliger Mann, der sich sichtlich Mühe gab, damit sich eine junge, ihm völlig fremde Dame bei ihm zu Hause fühlen konnte. Catherine war ein wenig erschüttert. Denn dieser väterlich-besorgte ältere Herr war einer der kaltblütigen Verschwörer, die ihren Vater vor so vielen Jahren um sein Vermögen betrogen hatten. »Was hältst du davon, wenn wir heute mit den Kindern zu Abend essen, Rose?« fragte Lady Marsden. »Die meisten anderen Gäste werden erst in ein oder zwei Tagen eintreffen, daher fänden William und ich es schön, wenn wir mit dir und Miss Catherine heute en famille speisen könnten.« Ihr Mann fügte hinzu: »Ich dachte, wir gehen rauf zu den Mädchen ins Kinderzimmer und lassen uns ein Abendessen wie in alten Zeiten bringen: gekochte Eier, Toast, Teekuchen, Honig und Obsttörtchen und Kakao …« Verlegen hielt er inne. »Kinderkram, sicher, aber nur wegen der Mädchen, wissen Sie? Sie fühlen sich immer ein bisschen ausgeschlossen, wenn wir Gäste haben.« Niemand ließ sich von diesen Worten täuschen. Wenn es um seine Töchter ging, hatte Sir William offenbar ein weiches Herz. Es fiel Catherine schwer, ihn nicht zu mögen. »Nein, nicht so, Miss Catherine«, rief Nell, die älteste von Sir Williams und Lady Marsdens drei Töchtern, lachend.
»Sie müssen das Brot so halten –
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