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Das Geheimnis der Schwestern

Das Geheimnis der Schwestern

Titel: Das Geheimnis der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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zu lachen vergessen habe.«
    Diese Bemerkung stammte aus ihrer Kindheit, und Vivi Ann ertappte sich dabei, dass sie zum ersten Mal seit Tagen lächelte. Sie nahm ihr Weinglas. »Gehen wir auf die Veranda. Das Essen ist erst in vierzig Minuten fertig.«
    Sie gingen gemeinsam hinaus und setzten sich. Vivi Ann lehnte sich in dem wackligen weißen Rattanschaukelstuhl zurück, auf dem ihre Mom am liebsten gesessen hatte, stützte die Füße auf das Geländer und blickte auf die Ranch hinaus. Vom Vordach fiel ein silbriger Regenvorhang, der die Sicht trübte und allem eine ferne, substanzlose Aura verlieh. Hier und da klimperten die Windspiele aus Strandscherben und erinnerten an die Lücke in ihrer Familie. Vivi Ann fragte sich auf einmal, wie sie sich alle wohl entwickelt hätten, wenn ihre Mom immer noch da wäre. Wenn ihr die Windspiele hört, erinnert ihr euch an meine Stimme , hatte ihre Mom am Abend, bevor sie starb, zu ihnen gesagt. Vivi Ann erinnerte sich kaum noch an ihre letzten Monate, hatte das meiste verdrängt, aber sie wusste noch genau, wie sie drei sich an jenem Abend händchenhaltend um das Bett ihrer Mutter gedrängt hatten und sich bemühten, nicht zu weinen. Meine Gartenmädchen. Ich wünschte, ich könnte euch heranwachsen sehen.
    Vivi Ann stieß einen tiefen Seufzer aus. Was hätte sie nicht für einen einzigen weiteren Tag mit ihrer Mutter gegeben! Sie stieß ein Windspiel an und lauschte auf das melodische Klimpern. Die nächste halbe Stunde unterhielten sie sich über Belanglosigkeiten; zumindest sie und Aurora.
    »Du bist heute so still, Win«, sagte Aurora schließlich.
    »Das scheint dich zu überraschen«, erwiderte Winona.
    »Es ist wegen Mark, oder?«, fragte Aurora. »Hat er dir schon gesagt, dass er dich liebt?«
    Winona schüttelte den Kopf. »Ich glaube, echte Liebe ist sehr selten.«
    »Allerdings«, bestätigte Aurora.
    Vivi Ann fand es schrecklich, wie verbittert Aurora seit ihrer Scheidung war, aber sie konnte sie verstehen. Liebe konnte einem das Beste nehmen; vor allem verlorene Liebe.
    »Du hast die wahre Liebe erlebt, Vivi Ann«, sagte Winona und sah endlich auf. »Dallas und du, ihr habt füreinander alles aufgegeben.«
    »Winona«, schaltete Aurora sich leise ein, »was soll das? Hast du was getrunken? Wir sprechen doch nicht –«
    »Ich weiß«, erwiderte Winona. »Wir tun so, als hätte es ihn nie gegeben, als wäre er nie ein Teil von uns gewesen. Wenn wir sehen, wie Vivi Ann kämpft, fragen wir sie nach dem Reitstall oder erzählen ihr, was wir gerade lesen. Wenn wir sehen, dass Noah gehänselt und verletzt wird, weil er Dallas’ Sohn ist, erzählen wir ihm etwas von Selbstbeherrschung und von dem Klügeren, der angeblich nachgibt. Aber das ist nicht immer so, nicht wahr, Vivi? Warum reden wir eigentlich nie darüber?«
    »Jetzt ist es jedenfalls zu spät dazu, Win«, sagte Vivi Ann und zwang sich, ganz ruhig zu sprechen.
    »Allerdings«, entgegnete Aurora. »Manche Dinge lässt man besser ruhen.«
    »Aber was ist, wenn jemand noch lebt? Soll man ihn dann auch ruhen lassen?«, fragte Winona.
    »Lass das, Winona«, bat Vivi Ann. »Was auch immer du dir jetzt in den Kopf gesetzt hast, lass es einfach. Ich hab dir schon vor langer Zeit verziehen, wenn es darum gehen sollte.«
    »Das weiß ich«, entgegnete Winona. »Ich glaube, mir war damals gar nicht klar, wie großzügig du dich verhalten hast.«
    »Bis du dich selbst verliebt hast, nicht wahr?«, fragte Vivi Ann, der es langsam dämmerte. Ihre Schwester hatte sich endlich verliebt und konnte dadurch besser verstehen, wie tief Vivi Ann verletzt worden war.
    Winona holte tief Luft. »Bis ich zu –«
    Hinter ihnen knallte die Fliegentür auf. »Der Herd piept, Mom«, rief Noah.
    Dankbar für die Ablenkung, sprang Vivi Ann auf. »Danke, Noah. Gut, dann wollen wir mal zu Tisch.« Sie eilte in die Küche und stellte Salat, Maismehlmuffins und Hühnchenauflauf zusammen.
    Auf die Minute pünktlich servierte sie das Abendessen und nahm ihren Platz ein.
    Am Kopf des Tisches senkte ihr Dad den Kopf zum Gebet, und sie alle sprachen die vertrauten Dankesworte nach.
    Erst als Vivi Ann nach dem Gebet die Augen öffnete, bemerkte sie, dass Winona links von ihr stand und einen Stapel Unterlagen an die Brust drückte.
    »Zwing uns nicht, schon wieder deine Rede anzuhören«, bemerkte Aurora. »Es ist mein Geburtstagsessen.«
    Winona trat so unbeholfen vor, als würde sie geschubst. »Ich bin letzte Woche zum Gefängnis gefahren und

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