Das Geheimnis der Schwestern
Metalldetektor ging und sich zum Zellenblock führen ließ, lächelte und hier und da ein bisschen plauderte. So normal war die Routine für sie, dass es sie traf wie ein Schock, als der Officer ihr den Besucherausweis reichte und sagte: »Heute ein privates Treffen, wie? Das ist ja ganz was Neues.«
»Hier entlang. Zu einem der Besprechungszimmer für Anwälte.«
Winona nickte und trat ein. Es war ein kleiner Raum mit einem großen, verkratzten Holztisch und ein paar Stühlen. Die Wände waren in einem hässlichen Braun gehalten; hier und da sah man den Beton unter der abblätternden Farbe. Ein uniformierter Wachmann stand in einer Ecke, hatte die Hände hinter dem Rücken verschränkt und starrte stur geradeaus. Sie nahm unter seinem wachsamen Blick Platz.
Dann ging die Tür auf, und Dallas kam hereingeschlurft. Er hielt den Kopf gesenkt und hatte an Händen und Füßen Ketten.
Er nahm ihr gegenüber Platz und legte die gefesselten Hände vor sich auf den Tisch. »Was will mein Sohn?«
Sie hörte, wie seine Stimme bei dem Wort Sohn zitterte. »Ich möchte dir zuerst ein paar Fragen stellen. Darf ich?«
»Als könnte man dich zum Schweigen bringen.«
Ärger regte sich in ihr, und auf einmal fiel ihr wieder ein, wie groß ihre Abneigung gegen ihn gewesen war. Nun, da sie endlich mit ihm sprechen konnte, wollte sie nur noch weg. »Auf welchem Arm ist dein Tattoo?«
Ihre Frage überraschte ihn. »Auf dem linken. Wieso?«
Winona fluchte leise. »Hatte Roy jemanden, der für ihn ermittelte, der die relevanten Orte und Personen aufsuchte und für ihn Nachforschungen betrieb?«
»Du weißt doch genau, dass dafür kein Geld da war. Aber er hat sein Bestes gegeben.«
»Warum hast du nicht vor Gericht ausgesagt?«
»Mein Gott, Win. Das alles ist doch Schnee von gestern. Ich hab wegen meiner Vorstrafen nicht ausgesagt.«
»Aber die Leute wollten deine Version der Geschichte hören.«
»Wollten sie nicht.«
»Dein Sohn möchte, dass ich von dir die Erlaubnis einhole, die DNA -Spuren vom Tatort noch mal neu analysieren zu lassen. Mittlerweile ist das Verfahren wesentlich besser und genauer geworden. Möglicherweise reicht die Spur, um dich zu entlasten.«
»Hältst du mich plötzlich für unschuldig?«
»Ich glaube, der Test würde uns ein für alle Mal Gewissheit geben.«
»Nein.«
»Darf ich annehmen, dass du den Test aus naheliegenden Gründen ablehnst?«
»Nimm doch an, was du willst. Das konntest du schon immer sehr gut.«
Winona beugte sich vor.
»Ich hab die Gerichtsprotokolle noch mal gelesen, Dallas. Myrtle Michaelian hat dich aus der Gasse kommen sehen. Du bist in den Lichtkreis einer Straßenlaterne getreten, und sie hat dein Profil und dein Tattoo gesehen.«
»Aha.«
»Aber das Tattoo, das sie gesehen hat, muss auf dem rechten Arm des Mannes gewesen sein. Er ging von ihr weg.«
»Ja. Und?«
»Das scheint dich nicht zu überraschen. Wieso nicht?«
Wortlos starrte er sie an.
Die Erkenntnis durchfuhr sie wie ein eiskalter Schauer. »Du bist nicht überrascht, weil du an jenem Abend gar nicht da warst. Du hast die ganze Zeit gewusst, dass Myrtle jemand anderen gesehen hat.«
»Fahr nach Hause, Winona. Deine Bemühungen kommen zu spät.«
»Willst du mir damit sagen, dass du es nicht getan hast?« Winona wurde übel bei der Vorstellung.
»Verschwinde, Winona.«
Zum ersten Mal sah sie ihm direkt in die grauen Augen und erkannte, wie sehr sie ihm zusetzte. »Warum wolltest du Vivi Ann nicht mehr sehen?«
Er schob seinen Stuhl zurück und sah zur Tür. »Hast du sie je gesehen, wenn sie eins ihrer misshandelten Pferde zu sich nach Hause holte?«
»Natürlich.«
»Langsam sah sie so aus, wenn sie mich besuchen kam. Ich wusste, dass sie nicht mehr schlafen, nicht mehr essen konnte. Es brachte sie um, an mich zu glauben, und ich wusste, sie würde niemals aufgeben.«
»Also hast du für sie entschieden.« Winona lehnte sich fassungslos zurück. Es war, als würde sie plötzlich etwas in einem Wimmelbild erkennen. Wenn man es einmal identifiziert hatte, fragte man sich, wie man es je hatte übersehen können. Er hatte sich von Vivi Ann scheiden lassen, weil er sie liebte.
»Das hast du gesagt, nicht ich. Ich habe gesagt: Verschwinde. Das alles ist jetzt völlig unwichtig. Vivi Ann konnte ihr Leben weiterleben, und Noah wird es eines Tages auch können. Es ist das Beste, sie einfach in Ruhe zu lassen.«
»Du glaubst, Vivi Ann hätte ihr Leben weitergelebt?« Sie starrte ihn an.
In seinem
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