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Das Geheimnis der Schwestern

Das Geheimnis der Schwestern

Titel: Das Geheimnis der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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ehrfürchtigem Schweigen entgegen. Der Respekt, der ihr entgegenschlug, verlieh ihr Kraft. Sie ging zu einem der Podien und nahm ihren Platz dahinter ein. Kurz darauf betrat ihr Konkurrent mit großen Schritten die Turnhalle; er lächelte breit wie die Grinsekatze. »Du siehst heute sehr hübsch aus, Winona«, begrüßte er sie und streckte ihr die Hand entgegen.
    »Danke, Thad. Aber wie du weißt, ist heute anderes wichtig.«
    »Da ich bereits seit acht Jahren Bürgermeister bin, weiß ich wohl besser, was wichtig ist und was nicht. Aber natürlich solltest du trotz deiner Ahnungslosigkeit deine Position vertreten.«
    Winona lächelte strahlend und dachte: Ich kann’s kaum erwarten, dir einen Tritt in den Arsch zu versetzen , sagte aber: »Wir werden ja sehen.«
    Wie ein Boxer im Ring ging Thad dann in seine Ecke – auf sein Podium –, während sie blieb, wo sie war. Tom Trumbull, der zehn Jahre zuvor Bürgermeister der Stadt gewesen war, trat zwischen ihnen ans Mikrofon, stellte die beiden Kandidaten vor und erklärte kurz die Regeln für die öffentliche Fragestunde.
    »Die erste Frage geht an Bürgermeister Olssen. Thad, Sie haben zwei Minuten für Ihre Antwort, und Winona, Sie haben eine Minute, um dem etwas entgegenzusetzen. Können wir beginnen?«
    Erik Engstrom erhob sich sofort. »Bürgermeister Olssen. Wie alle wissen, untersteht die örtliche Polizei dem Bürgermeisteramt. Wie werden Sie in Ihrer Amtszeit dafür sorgen, dass die Bürger sich sicherer fühlen?«
    Das war eine lächerliche Frage, die passenderweise von einem Idioten kam, aber sie konnte nichts dagegen machen. Lächelnd überflog sie mit dem Blick die Zuschauer und suchte nach freundlichen Gesichtern. Aurora und Noah saßen ganz vorn; sie nickten ihr ermutigend zu. Vivi Ann und ihr Vater saßen steif und mit starrer Miene daneben. Natürlich waren sie gekommen. Ihr Dad hätte niemals zugelassen, dass Zwist auf Water’s Edge nach außen drang. Sonst hätte es Gerede gegeben. Dieses eine Mal war sie dankbar, dass er so viel auf die Meinung anderer Leute gab.
    Mark und Cissy saßen, zusammen mit Myrtle, weiter hinten.
    »Ihre Antwort bitte, Miss Grey«, sagte Trumbull.
    Winona zögerte keine Sekunde. »Die hiesige Polizei braucht finanzielle und moralische Unterstützung, aber was sie ganz sicher nicht braucht, ist noch mehr Druck der Regierung, der ihren Job nur schwerer macht. Als Bürgermeisterin würde ich es mir zur Aufgabe machen, Sheriff Bailor und seine Deputys nach Kräften zu unterstützen, aber nicht ihre Arbeit zu behindern.«
    Daraufhin applaudierten Aurora und Noah laut.
    Ein nervöser Schauer durchfuhr Winona, als sie den Rest der Zuschauer sah; sie alle saßen reglos da.
    Dann stand Myrtle Michaelian auf. »Winona«, begann sie mit stockender Stimme. »Ich wüsste gern, wie du behaupten kannst, die Arbeit der Polizei nicht behindern zu wollen, wenn du ihr Unfähigkeit vorwirfst.«
    »Verzeihung, Myrtle. Ich kann dir nicht ganz folgen.«
    »Ich habe gehört, du seist auf einmal der Meinung, Dallas Raintree wäre unschuldig. Das heißt aber doch, die Polizei und die Geschworenen waren entweder unfähig oder dumm. Und mich betrachtest du dann wohl als Lügnerin.«
    Jetzt begriff sie, was die ernsten Mienen der Zuschauer bedeuteten. Die Neuigkeit von ihrer Petition hatte sich schneller als erwartet herumgesprochen.
    Sie holte tief Luft und setzte zu einer Erklärung an, wobei sie ihre Worte mit äußerster Sorgfalt wählte, doch als sie die Menge überblickte, wusste sie Bescheid. Sie mochte ihre Erklärung zwar geschickt formuliert und mit Leidenschaft vorgebracht haben, aber am Ende war sie genauso nichtig wie Seifenblasen, die in der Luft zerplatzten. Niemand hier war daran interessiert, einen Fehler aus der Vergangenheit wiedergutzumachen.
    Niemand war an Dallas Raintree interessiert.
    Mitten in ihrer Erklärung unterbrach Trumbull sie mit den Worten: »Die Zeit ist um, Winona.«
    Und da applaudierte das Publikum.

Sechsundzwanzig
    Ein so schlimmes Weihnachten habe ich noch nie erlebt! Wir waren in der Kirche, aber das ganze Gerede über Vergebung und Glaube ist nur ein Haufen Mist. Schließlich spricht kaum noch jemand aus der Stadt mit Tante Winona, dabei versucht sie ihnen doch nur klarzumachen, dass sie sich in Bezug auf meinen Dad vielleicht geirrt haben.
    Nicht gerade hilfreich ist, dass er MICH IMMER NOCH NICHT SEHEN WILL . Tante Winona meint, er will nicht, dass ich ihn hinter Gittern und in Handschellen sehe, aber

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