Das Geheimnis der Schwestern
ständig auf der Hut. In ihrem Innern baute sich immer mehr Druck auf.
Sie sah zu Luke hinüber. Sein Lächeln war so, wie man es sich von seinem Mann wünschen konnte: strahlend, aufrichtig, eindeutig. Eigentlich hätte sie zurücklächeln und irgendwas Romantisches sagen sollen. Doch je länger sie in seine Augen blickte, desto gefangener kam sie sich vor. Als sie so in seinem Wagen saß, sah sie plötzlich ihr ganzes Leben mit ihm vor sich, und es kam ihr klein und eng vor. Ganz und gar nicht so, wie sie es sich vorgestellt hatte. Sie wollte Leidenschaft und Feuer und Magie. Vielleicht war es ein Fehler gewesen, nicht mit Luke zu schlafen. Am Anfang hatte sie sich zurückgehalten, weil er es im Gegensatz zu ihr ernst meinte und sie nicht durch Sex in eine Gefühlsfalle hatte tappen wollen. Aber jetzt saß sie doch in der Falle, und die Ironie des Ganzen war, dass er ihren Mangel an körperlicher Intimität für ein Zeichen, einen Beweis ihrer Liebe hielt. Vielleicht war der Sex mit Luke ja großartig, vielleicht würde er ihre Welt aus den Angeln heben, so dass sie Luke doch lieben konnte …
Und aufhören, an Dallas zu denken.
Kaum hatten sie vor dem Farmhaus gehalten und den Wagen verlassen, ging sie zu ihm und streckte die Arme aus. »Ich will dich begehren, Luke. Jetzt, auf der Stelle.« Eigentlich hatte sie nur Ich will dich sagen wollen, aber jetzt war es für eine Berichtigung zu spät.
Sie presste sich an ihn, rieb ihren Körper lasziv an seinem, zog sich das Shirt aus und warf es zu Boden. »Komm, Luke«, bettelte sie. »Bring mich um den Verstand.«
Er küsste sie heftig, löste sich dann von ihr und sah sie an. »Das ist doch nicht der richtige Ort für unser erstes Mal. Lass uns zu mir fahren.«
Vivi Ann spürte, wie Enttäuschung sie überkam. Trotz seiner Küsse fühlte sie gar nichts. Es war genau, wie sie geahnt hatte: Dieser anständige, attraktive und liebevolle Mann würde niemals ein Feuer in ihr entzünden. Sie zwang sich zu lächeln. »Du hast recht. Unser erstes Mal sollte etwas ganz Besonderes sein. Rosenblüten und Kerzenlicht.« Sie hob ihr Shirt wieder auf und zog es an. »Und nicht an einem Abend, wenn ich zu viel getrunken habe.«
Er legte ihr einen Arm um die Schultern und führte sie zum Haus. »Ich muss dich wohl besser im Auge behalten und darauf achten, dass zwei Gläser Wein dein Limit sind.«
Ich wette, er behandelt dich wie ein Porzellanpüppchen.
Darauf fiel ihr nichts ein, aber als sie auf der Veranda vor der Haustür standen und Luke sie zum Abschied noch mal küsste, musste sie mit aller Macht ihre Tränen zurückdrängen.
»Was ist denn los, Vivi?«, fragte er und löste sich von ihr. »Du weißt doch, dass du mir alles sagen kannst, oder?«
»Ich bin nur müde. Morgen wird alles schon ganz anders aussehen.«
Er beließ es dabei und küsste sie noch einmal. Dann sah sie zu, wie er zu seinem Wagen zurückging und abfuhr. Seufzend ging sie ins Haus und auf ihr Zimmer.
Dort starrte sie auf die dunkle Ranch. Das Dach des Reitstalls lag im Mondlicht. Sie wollte sich schon abwenden, als ihr etwas Helles ins Auge stach. Ein Cowboyhut.
Dallas war da draußen, er stand an Renegades Koppel und blickte zu ihr hoch. Er hatte gesehen, wie sie ihr Shirt ausgezogen hatte.
Sie wandte sich vom Fenster ab und ging ins Bett, aber es dauerte eine Ewigkeit, bis sie einschlafen konnte.
An einem sonnigen Nachmittag Mitte Juni kam der Anruf, auf den Winona so lange gewartet hatte. »Winona?«, sagte Luke. »Ich muss mit dir reden. Über Vivi Ann. Könnten wir uns heute Abend auf Water’s Edge treffen? Ich bin nach sieben am Reitstall.«
Den restlichen Arbeitstag mit eidesstattlichen Aussagen, Immobilienkaufverträgen und Klientengesprächen brachte sie irgendwie hinter sich, aber ihre Gedanken wanderten ständig zu seinem Anruf.
Er wird mit ihr Schluss machen. Endlich.
Und dann würde er sich von ihr trösten lassen.
Als der letzte Klient gegangen war und Lisa die Kanzlei abgeschlossen hatte, ging Winona hinauf in ihre sanierungsbedürftige Wohnung. Hier oben, fern von den Augen der Öffentlichkeit, mussten die Böden erneuert werden, abblätternde Tapeten legten fleckige, ungleichmäßig verspachtelte Wände frei, und ein Großteil der Sanitäranlagen war verrostet. Sie ignorierte all das, unterzog ihren Kleiderschrank einer sorgfältigen Prüfung und entschied sich für Jeans und eine lange Samttunika. Sie drehte sich die Haare auf, kämmte sie sich aus dem Gesicht und
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