Das Geheimnis der Tarotspielerin: Zweiter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)
rückte sein Barett zurecht. »Ihr habt gerade meinem Wams das Leben gerettet.«
Misstrauisch zog der Yeoman die Brauen zusammen.
»Guter Mann«, winkte Chapuys ab. »Ich war nicht in Gefahr. Der Graf vergisst nur gelegentlich, dass ich sein Freund bin und unser Schicksal sicher in Gottes Hand liegt. ›Solo Dios basta‹ , wie mein seliger Beichtvater Fadrique zu sagen pflegte. Gott allein genügt! Und ein paar Orangen, um die Gesundheit zu erhalten. Ihr mögt doch Orangen, conde? Ich werde Euch täglich welche schicken.«
Der Botschafter schob seinen Degen zur Seite und hüpfte die Treppe des Wehrgangs hinab. Munter wippte die Feder seines Baretts, während er eine Grünfläche überquerte und zwei der gezähmten schwarzen Raben verscheuchte, die sich hier wie die Hausherren gebärdeten.
»Der sieht aus wie ein Narr«, knurrte der Yeoman abfällig.
Fürwahr, dachte der Graf, während der Soldat ihn mit angelegter Hellebarde in sein Turmgefängnis zurückgeleitete. Chapuys sah aus wie ein Narr und verhielt sich auch so. Orangen! Und was hatte er damit gemeint, dass der verstorbene Padre Fadrique sein Beichtvater war?
Ein Jude als Vertrauter des zutiefst katholischen spanischen Botschafters – das war unmöglich. Niemals hätte sich Chapuys, der so auf seine Sicherheit bedacht war, auf solch ein Risiko eingelassen. Das hatten nur Ketzer und getaufte Juden … Löwenstein blieb so plötzlich stehen, dass sich die Hellebarde des Soldaten in seinen Rücken bohrte. Bei Gott, der Narr war er und nicht Chapuys. Löwenstein sank auf die Knie.
»Was ist«, grunzte der Yeoman verächtlich, »wird Euch wieder schlecht?«
»Nein, ich will nur dem Herrn ein Dankgebet sprechen für einen treuen Freund.«
Für ein paar Orangen? Sein Wächter schüttelte den Kopf. Alle Spanier waren Narren und verdammt religiös. So wie die selige Katharina. Rasch schaute er sich um, so als fürchte er, man habe eben seine Gedanken belauscht. Ach was, er fühlte wie die meisten Untertanen Heinrichs.
Katharina von Aragón war zwar keine Engländerin, aber eine gute und fromme Königin gewesen. Bei weitem besser als diese Hure Anne.
»Amen«, sagte der Graf.
»Amen«, stimmte sein Wächter mit ein.
3.
K ÖLN , SPÄTER AM SELBEN T AG
Das dumpfe Klopfen von Zimmermannshämmern empfing Sidonia und Lunetta, als sie gegen Mittag wieder in den Torweg zum van Berck’schen Gehöft einbogen. Verblüfft sahen sie Handwerker, die vor den Lagerräumen des Rüstungshändlers eifrig ein Schaugerüst zusammenbauten. Der alte van Berck dirigierte sie mit Feuereifer.
»Schneller, Männer, geht das nicht schneller?«
Zwei Knechte schleppten einen riesigen Baum an ihnen vorbei, dessen totes Geäst mit seidenen Blättern beklebt war. Ein anderer bewegte ächzend ein Gebirge, das aus silberbeschlagener Pappe bestand und auf Rollen montiert war.
Während sich die Kulisse zwischen van Bercks Rücken und die beiden jungen Frauen schob, sprang Tringin aus dem Schatten des Torwegs auf sie zu.
»Schnell, schnell, gebt mir die groben Mäntel, jetzt kann er Euch nicht sehen«, flüsterte sie verschwörerisch und riss erst Lunetta und dann Sidonia die Wollumhänge von den Schultern. »Ich habe ihm gesagt, Ihr seid in Sankt Kolumba, um Euch die Beichte abnehmen zu lassen.«
Der Berg war bei der Bühne angelangt, über der eben eine glutrote Sonne aufging. Van Berck selbst zog die schwankende Kugel mit sichtlichem Vergnügen über ein Seilgewinde in die Höhe.
»Was, zum Himmel, tut Vater da?«, fragte Sidonia mit vor Staunen geweiteten Augen.
»Er lässt eine Tribüne für sein Karnevalsfest bauen. Für irgendwas Französisches, dass er Tabo oder so nennt.«
»Du meinst ein Tableau«, erklärte Lunetta müde. »Bei Hof sind diese lebenden Bilder an hohen Festen und bei Maskenspielen beliebt. Eine italienische Mode. Man sagt, sie gehe auf Roms Cäsaren zurück.«
Sidonia schüttelte den Kopf. »Cäsaren! Seine Eitelkeit kennt wirklich keine Grenzen. Er macht sich zum Gespött.« Sie raffte die Röcke und wollte zu ihrem Vater hinüberstürmen.
Tringin hielt sie beim Arm zurück. »Ach lasst ihn doch, solange es ihn glücklich macht und von seinem Husten kuriert. Er hatte am Morgen einen grässlichen Anfall.« Besorgt schüttelte die Magd den Kopf. »Und nun kommt ins Haus, bevor Ihr Euch in dieser Kälte den Tod holt. Lunetta, Ihr seid ganz blass.«
»Es ist nichts«, winkte das Mädchen ab. »Ich möchte nur auf meine Kammer und ein wenig
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