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Das Geheimnis der toten Voegel

Das Geheimnis der toten Voegel

Titel: Das Geheimnis der toten Voegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Jansson
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Buch über die Pest gelesen«, sagte sie, als sie sich beruhigt und aufs Sofa gesetzt hatte. »Es klang mehr wie ein spannendes Märchen und nicht wie eine vergangene Lebenswirklichkeit. Vielleicht kann man die Geschichte nicht verstehen, ohne sie zu erleben. Deshalb werden manche Fehler immer und immer wieder gemacht. Der Autor vertritt die Theorie, dass die Pest sich so schnell verbreitet habe, weil die Menschen vor dem Tod geflohen sind. Sie wussten nicht, dass sie selbst ansteckend waren, und so breitete sich die Krankheit wie ein Lauffeuer aus. Das ist genau der Fehler, den Sie zu verhindern versuchen, indem Sie die Grenzen der Insel abriegeln. Wird es noch bessere Möglichkeiten für die geben, die es bezahlen können? Ich habe gehört, die Politiker würden morgen früh evakuiert, das haben sie in den Nachrichten gesagt. Wer noch?«
    »Ich weiß es nicht, ich bin nur ein gewöhnlicher Arzt. Solche Beschlüsse werden einige Etagen höher getroffen.« Er konnte nicht umhin, eine Strähne von ihrem Haar zu berühren, die ihr ins Gesicht gefallen war, er strich darüber und ließ sie zwischen Daumen und Zeigefinger hindurchgleiten. »Gehen Sie jetzt. Ich glaube, in dem Schrank in Emils Zimmer werden Sie eine Matratze finden, aber Decken gibt es leider nicht mehr.«
    Maria stand auf und ging zur Tür, wo sie einen Augenblick stehen blieb, ohne das vorbringen zu können, was sie sagen wollte. Er sah sie forschend an. Fragte sich, ob sie unter der Maske lächelte oder ob sie wieder zu weinen begann.
    »Ich mag Sie, Jonatan Eriksson, also, das wollte ich nur sagen … hm, das klang jetzt blöd.«
    »Ich mag Sie auch sehr, Maria.«
     
    Das Zimmer lag im Dunkeln. Nur ein kleines Nachtlicht brannte über Emils Nachttisch. Er hatte die Decke abgestrampelt. Die Stirn glänzte, der Haarschopf war verschwitzt zurückgestrichen, dennoch hatte er eine Gänsehaut. Maria unterdrückte den Impuls, ihn zu umarmen. Er würde aufwachen und brauchte doch seinen Schlaf. Doch er musste dennoch ihre Anwesenheit gespürt haben, denn er schlug die Augen auf.
    »Ich bin es nur, Emil. Ich schlafe heute Nacht bei dir.«
    »Sterbe ich jetzt, Mama?«
    »Nein, das lässt du schön bleiben.«
    »Eltern dürfen nur hier sein, wenn man stirbt.«
    »Ich habe von Jonatan eine Extragenehmigung bekommen, hier zu sein, weil du nicht so krank bist, aber es ist ein Geheimnis. Wir dürfen es niemandem erzählen.«
    »Ich hab Sebastian gesehen. Er ist gekommen und hat sich genau auf den Stuhl gesetzt, auf dem du jetzt sitzt. Er hat nichts gesagt, sondern nur dagesessen.«
    »Hast du das geträumt? Fandest du es schlimm?«
    »Ich habe es nicht geträumt. Ich habe ihn gesehen, aber er war ganz klein, nicht größer als einer aus der ersten Klasse. Ich habe ihn gefragt, wie er hergekommen ist. Ob er geflogen sei. Und da hat er gelacht. Nicht so, dass man es gehört hat, aber ich habe gesehen, dass er gelacht hat. Ich habe keine Angst bekommen, ich habe mich darüber gefreut. Er sah nicht krank aus, sondern irgendwie ganz normal. Wie es wohl ist, wenn man tot ist? Ist man dann so eine Art Dampf? Kann man sich aussuchen, ob man Nebel sein will oder ein Mensch oder eine Wolke, die alles Mögliche werden kann – ein Gesicht mit großer Nase oder eine Hexe oder eine Sahnetorte oder ein schmaler Lichtstrahl, der durch ein Schlüsselloch fallen kann? Ob man selbst bestimmen kann, wo man sein will, wenn man tot ist? Was meinst du, Mama?«
    »Ich hoffe, dass man sich wieder treffen kann, wenn man gestorben ist. Ich würde gern meine Oma Vendela wiedertreffen. Die habe ich sehr gern gemocht. Sie war am Ende ziemlich vergesslich und verwirrt, aber nett. Ich würde sie gern so treffen, wie sie war, als ich klein war, und dann würde ich auf ihren Schoß kriechen, und nichts würde mehr gefährlich oder schlimm sein.«
    »Findest du, dass es jetzt gefährlich oder schlimm ist, Mama?«
    »Ja, Emil, dieser Sommer verläuft ganz und gar nicht so, wie ich es gewollt habe.«
    »Wenn du Angst hast, Mama, kannst du neben mir schlafen. Ich friere ein bisschen. Geht es dir dann besser?« Sie hörte ihn hinter der Maske lachen.
    »Ja, dann geht es mir besser.«
     
    Als Emil eingeschlafen war, kauerte Maria sich auf der unebenen Matratze auf dem Fußboden zusammen. Es war kalt, obwohl sie die Jacke anhatte, und wenn der Wind blies, dann knackte es in den Fensterrahmen des alten Hauses. Hier hatte Emil also allein gelegen und auf die Geräusche gehorcht. Jetzt, da Maria nicht

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