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Das Geheimnis der Totenmagd

Das Geheimnis der Totenmagd

Titel: Das Geheimnis der Totenmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
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blinder Hörigkeit ergeben, was ich bis heute nicht ganz abstreifen kann. In seiner Gegenwart fühle ich mich wie gelähmt …«
    Erneut spähte er mit gehetzten Blicken um sich. Dann sprach er im Flüsterton weiter: »Als ich Reinfried nach der Auflösung der Geißler wiedersah, genügte es ihm nicht mehr länger, die Weisheit nur zu verkünden. Er verlangte von uns, den Brüdern des Todes, dass wir die Schrift wörtlich nahmen: ›Und sie werden die gute Tür öffnen durch dich, alle, welche hineingehen wollen und danach streben, auf dem Weg zu wandeln, der zu der Tür führt.‹ Und von seinen Getreuen erwartete er genau dieses.«
    Katharina sah verwirrt aus, sie schien den Zusammenhang nicht ganz zu begreifen. »Was ist die ›gute Tür‹?«, fragte sie.
    » Die gute Tür zu öffnen , um über die Schwelle ins Königreich des Todes zu schreiten, bedeutet nichts anderes, als freiwillig aus dem Leben zu scheiden. Aber die Brüder des Todes drängten sich nicht gerade darum, durch diese Tür zu treten. Es gab nur einen unter uns, der sich freiwillig meldete, und das war Bruder Anselmus, Reinfrieds Förderer und Mentor. Er war nach dem Pesttod seines Sohnes Leonhard ein gebrochener Mann, und als er zum Fest der Toten den Opfertod starb, hatte man tatsächlich das Gefühl, dass er froh war, das Leben hinter sich zu lassen. ›Leonhard, ich komme‹, rief er und verschied wenig später mit glückseligem Gesichtsausdruck. Da sich die Brüder offensichtlich so schwer damit taten, freiwillig aus dem Leben zu gehen, kam Reinfried die Idee mit dem brennenden Kienspan. Und das Los fiel auf Mechthild.«
    Katharina starrte ihn entsetzt an, während der ehemalige Mönch weitererzählte. »Reinfried bestimmte mich, als seinen einstigen Wegbereiter, sie bei ihrem Weg zur Schwelle zu unterstützen. Dieser Beistand bestand vor allem darin, sie regelmäßig unter Drogen zu setzen, so dass sie schon lange vor ihrem eigentlichen Hinscheiden mehr tot als lebendig war. Als ich schließlich bemerkte, wie viel sie mir bedeutete, war es schon zu spät, um den unheilvollen Teufelskreis noch zu durchbrechen. Mechthild dämmerte mehr oder weniger nur noch vor sich hin. Bei Tobias, der ihr nachfolgte, verhielt es sich ähnlich, auch er wurde mit Drogen willenlos gemacht.«
    Bitter erklärte Kilian: »Die regelmäßigen Treffen der Bruderschaft dienten einzig einem Ziel: Unsere Seelen auszulöschen, um uns dem Meister ganz und gar anheimzugeben. Reinfried war im Übrigen der Einzige, der sich an den Todesritualen zu ergötzen schien. Alle anderen Brüder und Schwestern, selbst Meister Hans, der Henker, waren beklommen, wenn vor ihren Augen ein Mensch verblutete. Aber keiner hatte den Mut und die Kraft, sich gegen Reinfried aufzulehnen. Dann ließ er sich in Frankfurt als Arzt nieder, und es geschahen neue, schreckliche Dinge. Ihm schienen die Tode aus den Reihen der Bruderschaft nicht mehr zu genügen. Im Frühjahr erwürgte er im Liebesrausch eine Bademagd, mit der er eine Affäre hatte, und Ende Oktober brachte er eine Dirne um. Es schien geradezu eine Art Todesrausch, denn er brüstete sich sogar seiner Taten. – Das alles hat mir nach und nach die Augen geöffnet. Er ist vollkommen von Sinnen, und ich … ich habe unsägliche Angst vor ihm.«
    »Ich habe die zwei toten Frauen gewaschen«, stammelte Katharina fassungslos. »Der rote Stofffetzen … dann hat er die beiden also auch auf dem Gewissen! Er ist ein irrsinniger und grausamer Mörder.« Katharina erinnerte sich plötzlich wieder an die peinvolle Nacht, und ihr rannen vor Scham und Erniedrigung die Tränen über die Wangen.
    »Er … er hat dir wohl schlimm zugesetzt?«, erkundigte sich Kilian betroffen.
    »Ja, das hat er, dieses Vieh. Und das wird er mir büßen!« Ihre Qual schlug um in kalte Wut. »Ich hasse ihn! Man muss ihn unschädlich machen«, zischte sie. »Wenn ich könnte, würde ich diese Bestie auf der Stelle töten …«
    Katharinas Tränen waren versiegt, und in ihren Augen spiegelte sich eine wilde Entschlossenheit. »Ich fürchte mich ja auch vor ihm«, sagte sie, »aber mein Hass ist stärker. Heute Nacht, als er bei mir war und mich mit roher Gewalt genommen hat, habe ich bei jedem Stoß und bei jedem Schlag, den er mir zugefügt hat, gedacht: Das zahle ich dir heim, du Drecksack. Egal, was du mir auch antust, du kannst mich nicht brechen. Und irgendwann, das weiß ich genau, werde ich Rache nehmen. Für mich, meinen Vater, Mechthild und all die anderen.«

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