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Das Geheimnis der Totenmagd

Das Geheimnis der Totenmagd

Titel: Das Geheimnis der Totenmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
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Knicks an. Dann blieb sie stehen und starrte mit sensationsgieriger Miene auf den Totengräber.
    Der Pfarrer, der sich häufig genug über ihre Klatschsucht ärgerte, fuhr sie ungeduldig an: »Sie kann gehen!« Unwillig wandte sie sich um und verließ den Raum.
    Unterdessen wartete Heinrich Sahl angespannt darauf, dass der Pfarrer ihm endlich das Wort erteilte. Sein Blick fiel auf den opulent gedeckten Tisch, auf dem sich neben einer Schinkenkeule und diversen Wurstkringeln auch ein gebratener Kapaun und, wie er neidvoll bemerkte, überdies eine hohe Karaffe mit tiefrotem Burgunderwein befanden. Unwillkürlich trat er einen Schritt vor.
    »Trete Er sofort zurück! Er stinkt ja wieder, als hätte Er in einem Weinfass genächtigt. Verdirbt uns den ganzen Appetit, der alte Saufaus!«, fuhr ihn daraufhin der Pfarrer an und presste sich ein großes weißes Batisttaschentuch an die Nase. Gehorsam wich der Totengräber zurück bis zur Tür und fühlte sich dabei wie ein Hund, dem man einen Tritt verpasst hatte.
    »Also, jetzt red Er endlich! Was will Er denn schon so früh?«, erkundigte sich Juch gereizt.
    »Ei, Herr Pfarrer, da licht e tot Fraa im Beinhaus«, presste Heinrich hervor.
    »Was denn für eine tote Frau? Ist Er sich da sicher? Ich meine – äh, dass die da nicht schon länger liegt?«
    »Nee, nee. Keine ausgegrabene Leich, wenn Ihr das meint. Die ist noch ziemlich frisch. Halt noch net verwest, versteht Ihr, da is noch alles dran, mein ich.«
    »Verschon Er uns mit weiteren Einzelheiten, Kerl! Da wird einem ja speiübel!« Der Pfarrer streifte seinen Besucher, der in der Tat ganz blass geworden war, mit besorgtem Blick und erhob sich unwillig.
    »Bitte vielmals um Entschuldigung, verehrter Freund, aber gewisse Leute wissen sich einfach nicht gesittet zu betragen. Da ist Hopfen und Malz verloren. Um Euch weitere Abscheulichkeiten zu ersparen, mein werter Herr Felber, werde ich mich am besten hinausbegeben und das Ganze selber in Augenschein nehmen. – Und Gnade Ihm, Sahl, wenn das wieder so eine Posse von Ihm ist! – Frühstückt doch bitte weiter, oder nehmt vielleicht erst einen ordentlichen Schluck von dem Roten, um Euren Magen zu besänftigen. Ich bin gleich wieder bei Euch.« Der Pfarrer verbeugte sich vor dem Gast und verließ hinter Sahl den Raum.
    Als der Totengräber und der Pfarrer wenig später das Beinhaus betraten und Heinrich nur mit stummer Geste auf die leblose Gestalt im schwarzen Trauermantel wies, die auf den Knochenstapeln des Beinhauses lag, gab Hochwürden einen lauten Aufschrei von sich. Was Heinrich, obgleich ihm der Schrecken selber noch in den Gliedern steckte, doch mit einer gewissen Häme erfüllte.
    »Bringt mich raus an die frische Luft«, ächzte Juch, dessen fahle Gesichtsfarbe verriet, dass er in Ohnmacht zu fallen drohte. Keuchend geleitete Sahl den schwankenden Geistlichen, der sich mit seinem ganzen stattlichen Gewicht auf ihn stützte, unter das Vordach des Bahrhauses, wo er ihn rasch auf einen Holzhocker schob. Hochwürdens Kopf bewegte sich ständig hin und her, als könnte er dem Herbstwind nicht mehr standhalten, während er mit weit geöffnetem Mund nach Atem rang und schließlich hervorstieß: »Das ist doch die Mechthild Stockarn. Ausgerechnet die Stockarn-Tochter liegt tot auf meinem Friedhof!«
    »Meint Ihr die Stockarns aus der Fahrgasse, die, wo so reich sind?« , erkundigte sich Heinrich betreten.
    »Genau die meine ich, Bursche!«, entgegnete Juch mit einiger Empörung. »Die Familie Stockarn gehört immerhin zu den vornehmsten Geschlechtern Frankfurts. Ihrer Großmütigkeit verdankt unsere Peterskirche zwei prunkvolle Altäre. Sie haben in unserem Gotteshaus eine Ehrenbank. – Lieber Herrgott, was soll ich jetzt nur machen?« Pfarrer Juch rang fassungslos die Hände und starrte mit bestürzter Miene in den wolkenverhangenen Himmel. Die Antwort schien nicht lange auf sich warten zu lassen, denn gleich darauf murmelte er wie zu sich selbst: »Ich muss unbedingt den Senat verständigen.«
    Im nächsten Augenblick erhob er sich unsicher vom Hocker und hastete in Richtung Pfarrhaus. Sahl, der nicht recht wusste, wie er sich verhalten sollte, trottete ihm hinterher.
    Juch wandte sich zu ihm um und herrschte ihn wütend an: »Bleib Er mir bloß vom Halse! Geh Er meinethalben zum Beinhaus zurück, und halt Er Wache, dass niemand Unberufenes hineingeht.«
    Heinrich nickte gedemütigt und schlurfte mit hängenden Schultern zum Karner hin, wo er im immer stärker

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