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Das Geheimnis der Totenmagd

Das Geheimnis der Totenmagd

Titel: Das Geheimnis der Totenmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
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Respekt und Bewunderung ab. Die verstehen ihr Handwerk, dachte er bewundernd, während ein diabolisches Lächeln seine Mundwinkel umspielte.
    Da klopfte es an seiner Zellentür, und ein junger Frater meldete ihm, eine Jungfer namens Anna Stockarn wünsche ihn zu sprechen. Es sei sehr dringend, sage sie. Sie warte unten vor dem Portal, fügte der Mönch hinzu und blickte den honorigen Kirchenmann fragend an. Ottenschläger überlegte eine Weile und entschied sich dann, unwillig wegen der Störung, der Patrizierin eine Audienz zu gewähren. Immerhin waren die Stockarns ein mächtiges und einflussreiches Patriziergeschlecht und überdies sehr gottesfürchtig, wie zahlreiche großzügige Kirchenspenden belegten. Außerdem – womöglich konnte ihm die Tochter des Hauses noch einen wertvollen Hinweis liefern, was etwaige Komplizen des Totengräbers anbetraf. Um den Ordensregeln Genüge zu tun, die es als höchst unschicklich erachteten, wenn sich ein Geistlicher außerhalb des Beichtstuhls mit einer Frau alleine in einem Raum aufhielt, ordnete er an, umgehend den Abt und den Subprior zu verständigen. Schließlich handelte es sich bei der Jungfer um eine Standesperson, und da gebot es der Anstand, sie ins Refektorium führen zu lassen, weil dies mit Ausnahme seiner eigenen Zelle und derjenigen der Klostervorsteher der einzige beheizte Raum im Kloster war. Allerdings behagte ihm die Aussicht, einer Weibsperson gegenübertreten zu müssen, wenig. Frauen standen auf derselben Stufe wie Tiere, die er ebenso wenig mochte, und hatten gleichermaßen keine Seele.
    Beim Anblick der wenig standesgemäß gekleideten jungen Frau mit den ungekämmten braunen Haaren schoss es ihm durch den Kopf: Die sieht ja aus wie eine Wetterhexe, was sein Höflichkeitslächeln recht säuerlich geraten ließ. Der tannengrüne Jagdmantel aus grobem Wollstoff und die pelzgefütterten Stiefel waren nicht gerade die angemessene Garderobe für eine Audienz mit der gehobenen Geistlichkeit. Nun denn, wenigstens scheint sie nicht putzsüchtig zu sein und entfernt sich die Brauen nicht, dachte er angesichts Annas dichter, geschwungener Augenbrauen.
    Da betraten der Prior und der Subprior das Refektorium, und die Dominikaner ließen sich auf der Bank gegenüber der jungen Frau nieder. In öligem Tonfall erkundigte sich der Inquisitor nach ihrem Anliegen. Anna, der der Pater mit den starren, wimpernlosen Reptilienaugen sofort zuwider war, stockte der Atem, und das Herz schlug ihr bis zum Hals. Ihr war sehr wohl bewusst, wie wichtig es war, den mächtigen Kirchenmann für sich einzunehmen. Andererseits sträubte sich alles in ihr, diesem Eisblock mit Wohlwollen zu begegnen. Eine innere Stimme schien ihr unentwegt zuzuflüstern: Vorsicht! Er ist ein Feind!, und Heuchelei war nicht unbedingt ihre Stärke.
    »Eure Eminenz, ich danke Euch sehr, dass Ihr die Güte habt, mich zu empfangen und mir Gehör zu schenken«, richtete sie mit leicht bebender Stimme das Wort an den Inquisitor. »Wie Ihr Euch womöglich denken könnt, geht es um den Mordfall an meiner Schwester. Gott hab sie selig.«
    »Der Herr sei ihrer armen Seele gnädig!«, murmelten die drei Dominikaner wie aus einem Munde und bekreuzigten sich mit einer geradezu unheimlichen Gleichzeitigkeit.
    »Es gibt da einen neuen … Verdacht, den ich Euch gerne schildern möchte«, fuhr sie leicht stockend fort.
    »Tut Euch keinen Zwang an, meine Tochter, und sprecht frank und frei. Wir waren uns doch von Anfang an sicher, dass der Totengräber noch Komplizen haben muss.« Ottenschläger hing förmlich an Annas Lippen, doch diese machte seine Hoffnungen jäh zunichte:
    »Nein, nein, mit dem Totengräber hat das nichts zu tun. Es gibt da jemand anders, der in meinen Augen hochgradig verdächtig ist. Es handelt sich um den früheren Krankentröster meiner Schwester, einen gewissen Kilian von Hattstein, der vorgab, ein Zisterziensermönch zu sein. Er hat sich gleich nach dem Mord an meiner Schwester davongemacht und meinen Eltern vorgelogen, er fahre auf den Stammsitz seiner Familie, Burg Hattstein im Taunusgebirge. Gestern bin ich dorthin gereist, weil ich von Anfang an Argwohn gegen Pater Kilian hegte, habe ihn aber dort nicht angetroffen. Sein Vater berichtete, er habe seit nunmehr drei Jahren keinen Kontakt mehr zu seinem Sohn. Kilian sei wegen der Unterschlagung ketzerischer Schriften aus dem Orden ausgeschlossen worden …«
    »Genug, genug! In was versteigt Ihr Euch denn da?«, unterbrach sie der Inquisitor

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