Das Geheimnis der Totenstadt - Thriller
Ihre Aufzeichnungen in meiner Kanzlei. Für diese Arbeit stellen wir Ihnen einen Raum zur Verfügung. Gegenstände, die einen Transport von Teilen der Aufzeichnungen ermöglichen, dürfen nicht in diesen Raum gebracht werden. Dazu gehören Taschen, Mäntel, Jacken etc. Sie übertragen uns das Recht zur Kontrolle.«
Tardi lächelte verständnisvoll.
»Das sind alles Selbstverständlichkeiten, Signore Avvocato. Ich würde es selbst nicht anders machen. Wo soll ich unterschreiben?«
Pancrazzi schob ihm den Vertrag über den Tisch. Tardi zog einen von zwei Kugelschreibern aus seiner Reverstasche, beugte sich über den Tisch und unterschrieb langsam und würdevoll.
Pancrazzi nickte. Er drückte eine Taste auf seinem Telefon.
»Amalia, kommen Sie bitte?«
Sekunden später betrat die rundliche Sekretärin mit den kurzen, rot gefärbten Haaren das Zimmer.
»Professore, das ist Amalia Imbeni. Sie wird Ihnen alles zeigen. Wenn Sie etwas brauchen, wenden Sie sich an sie.«
Tardi erhob sich und verbeugte sich noch einmal. Die Rothaarige beobachtete ihn mit heruntergezogenen Mundwinkeln.
»Kommen Sie, bitte.«
Sie gingen über den dunklen Flur der Kanzlei. Ganz am Ende öffnete Amalia eine Tür und schaltete, ohne den Raum zu betreten, das Licht ein. Der Raum war ungefähr vier mal fünf Meter groß und mit nichts anderem möbliert als mit einem Tisch und einem Stuhl, dessen Bequemlichkeit in Zweifel gezogen werden musste. An der Decke war eine Neonröhre befestigt, die den Raum mit kaltem Licht erhellte. An der gegenüberliegenden Wand türmten sich Umzugskartons, die mit großen roten Zahlen durchnummeriert waren.
Amalia machte eine einladende Handbewegung.
»Bitte sehr, Professore!«
Den »Professore« sprach sie so gedehnt aus, dass es fast abwertend klang und es sicher auch so klingen sollte.
»Unser ehemaliger Aktenraum. Der Avvocato hat ihn für Sie ausräumen lassen.«
Tardi nickte, schob mit dem Zeigefinger der rechten Hand seine große Brille zurück, die ihm auf die Nasenspitze gerutscht war, und ging in das fensterlose Zimmer, das die Gemütlichkeit eines Heizungskellers ausstrahlte.
Sein Blick fiel auf den Schreibtisch, auf ihm lag ein großer Schreibblock. Amalia schien seine Gedanken erraten zu haben.
»Die Seiten sind handschriftlich durchnummeriert. Ich bin angewiesen, jeden Abend zu prüfen, ob Seiten fehlen.«
Tardi bemühte sich zu lächeln.
»Und was ist das?«
Er deutete auf einen kleinen Kasten mit einer Art Klingelknopf, von dem aus ein Kabel durch den Raum lief, bis es in einer Wand verschwand.
»Mit dieser Klingel können Sie mich von neun Uhr bis achtzehn Uhr rufen, wenn Sie etwas brauchen. Ausgenommen in meiner Mittagspause von zwölf bis zwölf Uhr fünfundvierzig.«
Tardis Bemühungen, zu lächeln, wurden angestrengter.
»Aber warum diese Umstände? Ich kann doch zu Ihnen kommen, wenn ich etwas benötige.«
Amalia schüttelte den Kopf und grinste unverhohlen.
»Können Sie nicht. Ich habe Anweisung, Sie einzuschließen.«
Für ein paar Sekunden verlor Tardi die Contenance.
»Das ist doch ...«
Mit einem ziemlichen Kraftaufwand bekam er sich wieder in den Griff.
»... das ist doch alles sehr gut überlegt!«
Amalia nickte und warf noch einen letzten Inspektionsblick in den Raum.
»Oh, ich sehe, ich habe Ihnen keine Kugelschreiber bereitgelegt. Das haben wir gleich.«
Sie wollte sich gerade abwenden, als Tardi die Hand hob.
»Bemühen Sie sich nicht. Ich habe meine eigenen dabei. Die sind mir sowieso lieber. Man ist ja ein Mensch der Gewohnheit.«
Er lachte künstlich auf, zog die zwei Kugelschreiber aus seiner Reverstasche und legte sie neben den Schreibblock.
»So, ich glaube, das wär’s.«
Amalia schüttelte den Kopf.
»Nicht ganz, Professore. Ihr Jackett bitte!«
Für einen Augenblick stutzte Tardi, dann zog er das Jackett aus und reichte es der Rothaarigen.
»Und, Professore, haben Sie bitte Verständnis dafür, dass Sie mir jeden Abend den Inhalt Ihrer Hosentaschen zeigen müssen. Mille grazie!«
Für den Bruchteil einer Sekunde schauten sich beide lächelnd und mit dem Ausdruck tiefster Abneigung in die Augen.
Kurz darauf hörte er, wie sich außen der Schlüssel im Schloss drehte.
Einen Augenblick lang blieb Professore Lorenzo Tardi zwischen Tür und Schreibtisch stehen, hob die Schultern und atmete dann hörbar aus.
Er machte ein paar Schritte zum Schreibtisch, griff nach dem größeren der beiden Kugelschreiber, betrachtete ihn und lächelte
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