Das Geheimnis der Totenstadt - Thriller
übernachtet hat. Er ist auch Italo-Amerikaner.«
Er lachte lauthals über seinen Witz, und Robert warf ihm einen verstimmten Blick zu.
»Wie ich gelesen habe, wurde Rudolf Heß in Alexandria geboren. Sollte er einmal im ›Cecil‹ übernachtet haben, dann könnten Sie doch sein Zimmer ... Sie sind doch auch Deutscher!«
Georg von Sell machte ein entsetztes Gesicht.
»Oh, Robert, entschuldigen Sie. Ich glaube, das war kein guter Witz von mir.«
Der Portier tat so, als habe er die letzten Sätze überhört.
»Bedaure, das Al-Capone-Zimmer ist leider belegt. Aber das von Somerset Maugham ist noch frei.«
»Schön«, fiel von Sell beschwichtigend ein, »ein britischer Intellektueller passt viel besser zu Ihnen als ein amerikanischer Gangsterboss.«
Er räusperte sich.
»Scherz beiseite. Ich nehme an, Sie werden sich etwas ausruhen wollen. Ich habe das auch bitter nötig. Aber darf ich Sie heute Abend zum Essen einladen? Ich zeige Ihnen ein wunderschönes Restaurant.«
Robert merkte, wie ihn die Sehnsucht nach einer kühlen Dusche und einem Bett zum Ausstrecken fast übermannte. Sein Gesicht entspannte sich.
»Sehr gern. Aber lassen Sie mich erst einmal meine Termine ordnen. Ich rufe Sie dann nachher an.«
*
Ungefähr fünf Kilometer Luftlinie entfernt klingelte ein Telefon. Captain Bruce Parker, Agent der Defense Intelligence Agency, ging mit schnellen Schritten auf den Schreibtisch zu, der, abgesehen von einem zerschlissenen Drehstuhl, als einziges Möbelstück in dem weiß gekalkten Raum mit den geschlossenen grünen Fensterläden stand.
Er nahm den Hörer ab.
»Hallo?«
Eine männliche Stimme mit einem texanischen Akzent meldete sich. »Captain Parker?« Parker ging nicht darauf ein. »Mit wem spreche ich?«
»Dowell. Lieutenant Charles Dowell. McMulligan schickt mich.« Parkers Stimme wurde freundlicher. »Ich hoffe, Sie tragen keine Uniform?«
»Nein, ich sehe aus wie ein Tourist.«
»Das ist gut. Wir treffen uns in einer Stunde im ›Spitfire‹ an der Sharia Saad Zaghlul. Das ist eine Bar. Übrigens die einzige in Alex, also nicht zu verfehlen. Und seien Sie pünktlich.«
*
Die erfrischende Dusche und eine halbstündige Ruhepause, die er ausgestreckt auf dem Bett verbracht hatte, brachten Roberts Lebensgeister wieder. Er zog ein weißes T-Shirt, Jeans und ein leichtes Leinenjackett an.
Was hat von Sell gesagt? Die Bibliothek können Sie zu Fuß erreichen. Das werden wir doch gleich mal ausprobieren!
Er schloss die Tür des Hotelzimmers und fuhr mit einem der seltsamen Korbfahrstühle hinunter in die Halle. In den nächsten zwei Stunden wollte er allein sein. Georg von Sell war zwar sehr amüsant und hilfsbereit, aber auch etwas anstrengend.
»Zur Bibliothek?«
Der Portier machte eine Verbeugung.
»Gehen Sie hinaus auf die Straße, hinüber zur Strandpromenade, und halten Sie sich immer rechts. Sie können sie nicht verfehlen«, strahlte er und zeigte eine Reihe imposanter Goldzähne, die unter seinem Schnauzbart hervorblitzten.
Schon nach wenigen Minuten konnte Robert den futuristischen Bau der Bibliothek erkennen. Er blieb einen Augenblick stehen, um das beeindruckende Panorama zu genießen. Auf der anderen Seite des Osthafens lag im gleißenden Sonnenlicht die Festung Fort Qait Bey, dort, wo einst der legendäre Leuchtturm stand, der zu seiner Zeit zu den sieben Weltwundern zählte.
Robert ging weiter, vorbei an der Ibrahim-Terbana-Moschee und den ehemals prächtigen Gebäuden, an denen die salzige Seeluft genagt und jahrelange Vernachlässigung ihre Spuren hinterlassen hatte.
Die Bibliothek, die an der gleichen Stelle errichtet worden war, wo das weltberühmte Vorbild der Antike gestanden hatte, sah aus wie ein Raumschiff, das am Strand des Mittelmeers gelandet war. Dieser Eindruck entstand besonders durch die riesige schräge Platte, in die hunderte verschiedener Schriftzeichen aus aller Welt eingemeißelt wurden, als Sinnbild weltweiter Kommunikation.
Madonna, was würdest du dafür geben, wenn es die antike Bibliothek noch gäbe.
Etwa um 300 v. Chr. hatten die Ptolemäer die gigantische Sammlung gegründet. Das gesamte Wissen der antiken Welt soll damals dort zusammengetragen worden sein, doch überlebt hatten unzählige der Schriftrollen und Bände diese Zeit nicht. Ob bei der Eroberung durch Cäsar oder spätere Überfälle und Zerstörungen, immer wieder waren die unwiederbringlichen Schätze ein Opfer der Flammen geworden. Bis zu siebenhunderttausend dieser Dokumente des
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