Das Geheimnis der Totenstadt - Thriller
Wissens waren für immer verloren.
Welche Rätsel der Menschheit wären wohl längst gelöst, wenn es diese Bibliothek noch vollständig gäbe?
Dieser Gedanke brachte ihn zurück in die Realität. Immerhin hatte er selbst ein Rätsel zu lösen, bei dem er nicht einmal wusste, worum es ging.
Konzentration, Roberto. Er überlegte. Wie hieß doch gleich der Bibliothekar, den Paolo Mazzetti hier besucht hatte? Klang es nicht wie eine südamerikanische Hauptstadt? Rio de Janeiro, Buenos Aires, La Paz?
»Quatsch«, sagte er laut.
Santiago, Caracas. Caracas?
Er schlug sich mit der flachen Hand leicht gegen die Stirn. Natürlich, Karakos war der Name. Georgios Karakos.
Im Eingangsbereich war es merkwürdig still.
»Die Bibliothek ist täglich von neun bis sechzehn Uhr geöffnet, kommen Sie bitte morgen wieder«, sagte die grauhaarige Frau mit der randlosen Brille, die hinter einer großen Glasscheibe am Empfang saß, ohne ihn dabei anzusehen. Sie schrieb Zahlen in eine lange Liste.
Robert lächelte sie an.
»Ich komme nicht wegen der Bibliothek, Madame, ich möchte einen Ihrer Kollegen sprechen. Georgios Karakos ist sein Name.«
Für einen Augenblick hörte die Frau auf zu schreiben und sah Robert an.
»Karakos, sagen Sie?«
Sie griff nach einem schwarzen Ringbuch und blätterte langsam die Seiten um.
»Georgios Karakos?«
Robert nickte. Die Grauhaarige schüttelte den Kopf.
»Der arbeitet nicht mehr hier. Soweit hieraus hervorgeht, ist er schon vor einiger Zeit pensioniert worden.«
Sie widmete sich wieder ihren Zahlen. Robert fasste sich nachdenklich ans Kinn.
»Können Sie mir dann bitte seine Privatadresse oder wenigstens seine Telefonnummer sagen?«
Die Frau ließ von ihren Zahlen ab und schaute Robert mit Empörung an.
»Ja, was glauben Sie denn? Ich kann Ihnen doch nicht ...«
Robert machte das unglücklichste Gesicht, zu dem er fähig war.
»Wissen Sie, ich komme extra aus Italien angereist, um Herrn Karakos eine wichtige Mitteilung seines ältesten Freundes zu überbringen, der zu krank ist, um zu reisen. Ich kann doch nicht so einfach wieder nach Hause fahren. Haben Sie doch bitte Mitleid mit einem alten Mann, der wahrscheinlich nicht mehr lange zu leben hat!«
Die Frau schaute ihn erschrocken an. Dann wurde sie nachdenklich und blätterte wieder in dem Ringbuch.
»Telefonnummer hab’ ich nicht. Sharia el Aqabar Nummer 7. Das ist im Attarin-Viertel beim Hauptbahnhof«, sagte sie leise und monoton. Dann atmete sie tief ein.
»Und jetzt gehen Sie bitte. Von mir haben Sie die Adresse nicht.«
Robert machte eine angedeutete Verbeugung.
»Vielen Dank, Madam. Wir sind uns nie begegnet.«
*
»Entschuldigung«, sagte Robert zu dem jungen Mann, der ein durchlöchertes T-Shirt und einen großen Korb mit Melonen trug. »Können Sie mir sagen, wie ich zum Attarin-Viertel komme?«
Der Junge stellte den Korb ab, blinzelte Robert gegen die Sonne an und nickte.
»Gehen Sie immer dem Schild ›Central Station‹ nach«, sagte er auf Englisch mit einem starken arabischen Akzent. Er sprach ziemlich schnell.
»Gehen Sie über den Manschiya-Platz, dann in die Sharia Ahmed Orabi und dann links in die Sharia Sisostris. Dort sehen Sie eine Moschee direkt an der Sharia Attari Ecke Sharia Sidi el-Metwali. Dann sind Sie mitten im Attarin. Haben Sie das verstanden?«
Er grinste Robert an, als wolle er sagen: Keiner von euch dämlichen Touristen kann sich diesen Weg merken.
Robert, der diese Gedanken ahnte, grinste zurück.
»Okay, Manschiya-Platz, Sharia Ahmed Orabi, Sharia Sisostris. Dann Sharia Attari, Ecke Sharia Sidi el-Metwali. Richtig?«
Der Junge starrte ihn mit offenem Mund an.
»Wenn Sie mir nun noch sagen können, wo dort die Sharia el Aqabar ist, wäre das toll.«
Der Junge – immer noch mit offenem Mund – nickte.
»Wenn Sie diesen Weg nehmen, gehen Sie direkt darauf zu. An der Ecke ist eine Buchhandlung und ein Imbiss, wo es gegrillte Tauben und Wachteln gibt.«
Robert lächelte ihn an, griff in die Tasche und reichte ihm eine Dollarnote. Der Junge griff zu, hob seinen Korb auf und war in Sekunden im Strom der Passanten verschwunden.
Robert lächelte.
Na bitte, auf dein gutes Gedächtnis kannst du dich immer noch verlassen.
*
Das geschäftige Treiben in den schmalen Gassen und auf den Plätzen des Attarin-Viertels gestaltete sich so, wie es ein Tourist von einem orientalischen Basar verlangt.
Das Angebot erstreckte sich von antiken Möbeln und solchen, die dazu gemacht worden waren,
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