Das Geheimnis der Totenstadt - Thriller
über Kronleuchter, Repliken alter Kunstwerke und Schriftstücke, verrostete Vorderladerpistolen, behandelte und unbehandelte Feldfrüchte bis hin zu Federvieh und anderem Getier in lebendem und gebratenem Zustand. Dazu ein Gemisch aus mehr oder weniger angenehmen Gerüchen, Wortfetzen aus verschiedenen Sprachen, Musik aus plärrenden Lautsprechern und der monotonen Melodie aus der Flöte des Schlangenbeschwörers, dessen Reptil sich heute allerdings von seiner unmusikalischen Seite zeigte.
Die Wegbeschreibung des Jungen funktionierte ebenso gut wie Roberts Gedächtnis, und bereits nach fünfzehn Minuten stand er vor dem Haus in der Sharia el Aqabar Nummer 7.
Das Haus war auffallend schmal, hatte zwei Stockwerke und schien von den Gebäuden zur Linken und zur Rechten regelrecht eingeklemmt worden zu sein. Im Erdgeschoss war eine Tür, aber kein Fenster zu sehen.
Robert fand einen Klingelknopf aus Messing, drückte kurz darauf und wartete. Nichts rührte sich. Er versuchte es ein zweites Mal. Er wollte sich gerade enttäuscht zum Gehen wenden, als er hörte, dass über ihm ein Fenster geöffnet wurde.
Erst klappten die Holzläden auf, dann ein Fensterflügel. Eine junge Frau mit einem schmalen Gesicht und lockigen schwarzen Haaren schaute heraus. Die auffallend dunklen Schatten um die Augen bemerkte er sofort.
Robert legte den Kopf in den Nacken und sprach einen der wenigen Sätze, die er auf Arabisch konnte und der um Mitteilung bat, ob der Angesprochene Englisch sprechen konnte.
»Masah el cher – inta bitkallim inglesi?«
Die Frau nickte.
»Ich bin auf der Suche nach einem Georgios Karakos. Wohnt er hier?«
Die Frau schüttelte den Kopf.
»Was wollen Sie?«
Robert trat einen Schritt zurück. Weil ihn die Sonne blendete, schirmte er seine Augen mit der Hand ab.
»Ich komme aus Italien. Ich muss mit Herrn Karakos etwas besprechen. Es geht um einen gemeinsamen Freund, der ihn vor kurzem hier besucht hat.«
Die Frau schüttelte abermals den Kopf.
»Es tut mir leid. Mein Vater ist tot. Ich kann Ihnen nichts dazu sagen. Gehen Sie bitte!«
Verdammt, das kann es doch wohl nicht gewesen sein. Die ganze Reise umsonst?
Er nahm einen zweiten Anlauf.
»Es tut mir leid. Aber es gibt sicher einige Fragen, die Sie mir auch beantworten können. Dürfte ich kurz hereinkommen?«
Die Frau machte eine abweisende Handbewegung.
»Nein, das geht nicht. Bitte gehen Sie jetzt.«
Nicht lockerlassen, Roberto. Wenn sie das Fenster schließt, sind alle Chancen vorbei.
Er hob beschwörend die Hände.
»Hören Sie. Was ich zu sagen habe, wird ganz sicher auch Sie interessieren. Es könnte sogar sehr wichtig für Sie sein. Wenn Sie nicht wollen, dass ich in Ihr Haus komme, können wir uns auch an einem neutralen Ort treffen. Dort, wo viele Menschen sind. Ich komme überallhin.«
Die junge Frau wollte gerade den Fensterflügel schließen, hielt dann aber doch inne und schien nachzudenken.
»Also gut, dann kommen Sie ins ›Café Trianon‹. Die Adresse ist Midan Saad Zaghlul. Wissen Sie, wo das ist?«
Aber sicher doch, wollte Robert gerade sagen. Das liegt gleich bei meinem Hotel. Aber irgendetwas sagte ihm, dass er sich lieber etwas zurückhalten sollte. Insofern entschloss er sich lediglich zu einem heftigen Nicken.
»Gut, dann in etwa zwei Stunden«, sagte sie und schloss das Fenster.
*
Robert ging langsam zum Hotel zurück. Georgios Karakos war tot. Paolo Mazzetti war ebenfalls tot. Worüber die beiden alten Herren gesprochen hatten, wusste er nicht, das Protokoll ihrer Unterhaltung war gestohlen worden. Wenn die Tochter nun auch nichts wusste?
Ausgeschlossen, man kann nicht in so einem kleinen Haus zusammenwohnen, ohne mitzubekommen, womit der andere sich beschäftigt.
Die junge Frau schien ihm äußerst misstrauisch, er musste das Gespräch also sehr vorsichtig führen.
Vielleicht solltest du dich etwas seriöser kleiden , dachte er, als er sein Spiegelbild in Jeans und T-Shirt in einem Schaufenster sah. Er schaute auf seine Armbanduhr. Genug Zeit hatte er noch. Er schlenderte an den Ständen der Trödler vorbei. An einem Tisch mit mehr oder weniger gut gemachten Repliken blieb er stehen. Warum er in diesem Moment ausgerechnet diese Schriftrollen kaufte, konnte er später nicht sagen. Es musste eine Art von Intuition gewesen sein.
6. KAPITEL
J eder Amerikaner behauptet, dass er einen Texaner bereits auf hundert Meter Entfernung erkennen kann. Insofern war sich Bruce Parker sicher, dass der lange Kerl, der dort
Weitere Kostenlose Bücher