Das Geheimnis der Wellen
freundlich. Ich freue mich, dass Eli die Beziehung zu ihm aufgefrischt und sich mit Mike angefreundet hat.«
»Ich glaube, Eli fällt es leicht, Freundschaften zu schließen und sie zu pflegen. Außerdem hat er sich einen Abend lang mit Stoney betrunken. Die beiden waren wirklich ein Herz und eine Seele.«
»Guter Gott! Hoffentlich hat ihn jemand nach Hause gefahren, und damit meine ich nicht Stoney.«
»Wir sind zu Fuß gegangen.« Abra merkte, dass Hester sofort fragend die Brauen hob, als sie »wir« sagte.
»Ich habe mir so meine Gedanken gemacht …« Schmunzelnd hob Hester ihr Martiniglas. »Lissa schien vor Freude ganz aus dem Häuschen darüber zu sein, dass du das Wochenende mit uns verbringen wirst.«
»Ich will nicht, dass eine komische Stimmung aufkommt, Hester. Dafür bedeutest du mir zu viel.«
»Wieso solltest du? Als ich Eli gebeten habe zu kommen, sagte ich mir, hoffentlich findet er wieder zu sich selbst. Und hoffentlich gehen die beiden … eines Tages gemeinsam nach Hause.«
»Im Ernst?«
»Warum nicht? Ehrlich gesagt, wollte ich euch verkuppeln, spätestens nach meiner Genesung. Liebst du ihn?«
Abra nahm einen großen Schluck Wein. »Du bist ganz schön forsch.«
»Ich bin alt und kann es mir nicht leisten, Zeit zu verschwenden.«
»Alt, von wegen!«
»Nicht zu alt, um zu merken, dass du meine Frage nicht beantwortet hast.«
»Ich weiß die Antwort selbst noch nicht. Ich bin gern mit ihm zusammen, freue mich zu sehen, dass es ihm langsam besser geht. Ich weiß, dass die Dinge ziemlich kompliziert sind, und deshalb gebe ich mich damit zufrieden.«
»Das Leben ist kompliziert.« Bedächtig fischte Hester eine der beiden Oliven aus ihrem Glas. »Ich weiß ein bisschen von dem, was passiert ist, aber vermutlich längst nicht alles. Die anderen packen mich in Watte. Ich habe zwar eine Gedächtnislücke, bin aber geistig völlig gesund.«
»Natürlich.«
»Bald werde ich körperlich wieder auf dem Damm sein. Ich weiß, dass jemand in Bluff House eingebrochen ist. Das finde ich verstörend. Ich weiß auch, dass es einen Mord gab und die Polizei das Haus durchsucht hat, was ich noch verstörender finde.«
»Der Chefermittler zählt Eli nicht zu den Verdächtigen«, sagte Abra rasch. »Er glaubt sogar, dass er nicht das Geringste mit Lindsays Tod zu tun hatte.«
Mit einer Mischung aus Erleichterung und Verärgerung lehnte Hester sich zurück. »Warum hat mir das niemand erzählt?«
»Ich glaube, man wollte dich einfach nicht beunruhigen. Es war ziemlich heftig und hat Eli sehr zu schaffen gemacht. Er ist wütend, Hester, richtig wütend. Und er ist bereit, sich zu wehren. Das finde ich gut.«
»Diese Haltung gefällt mir.« Hester sah hinaus aufs Meer. »Außerdem ist das ein wunderbarer Ort, um sich zu behaupten.«
»Entschuldigt die Störung.« Lissa kam herein und tippte auf ihre Armbanduhr.
»Oh, die Oberschwester ist wieder da«, verkündete Hester.
»Hester, du musst dich ausruhen.«
»Ich sitze. Ich trinke einen ausgezeichneten Martini. Ich ruhe mich aus.«
»Wir hatten eine Abmachung.«
Hester kippte den Rest ihres Martinis hinunter. »Ist ja gut, ist ja gut. Ich muss ein Schläfchen machen, genau wie die kleine Sellie.«
»Denn sonst wirst du genauso unausstehlich wie die Kleine, wenn sie ihr Nickerchen ausfallen lässt.«
»Meine Schwiegertochter findet nicht das Geringste dabei, mich zu beleidigen.«
»Genau dafür liebst du mich«, behauptete Lissa, während sie Hester auf die Beine half.
»Unter anderem. Wir reden später weiter«, sagte die alte Dame zu Abra.
Kaum war sie allein, überließ Abra sich trüben Gedanken. Sollte sie unter einem Vorwand nach Hause gehen? Aber wozu? Um sicherzustellen, dass niemand eingebrochen war und belastendes Beweismaterial versteckt hatte?
Wenn sie sich von ihren Grübeleien und Sorgen auffressen ließ, half ihr das nicht weiter. Hier war sie besser aufgehoben. Hier war sie unter Menschen. Am besten, sie genoss es einfach. Wer wusste schon, was als Nächstes passieren würde.
Sie erhob sich und ging in die Küche. Sie hätte gern etwas gekocht, aber im Moment war sie Gast, nicht Haushälterin. Sie hatte also keine freie Bahn.
Am besten, sie trug ihre Sachen nach oben und stellte die kleinen Geschenktütchen zusammen, die sie für die Familie vorbereitet hatte.
Sie musste sich dringend beschäftigen.
Als Lissa hereinkam, drehte sie sich um.
»Hester jammert immer, wenn sie Mittagsschlaf halten soll. Aber dann schläft
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