Das Geheimnis der Wellen
Boston.
Der jüngere der beiden – Militärhaarschnitt, markantes Gesicht, freundliche blaue Augen und extrem durchtrainierter Körper – hielt ihm seine Dienstmarke hin. »Eli Landon?«
»Ja.«
»Ich bin Detective Corbett. Detective Wolfe kennen Sie vermutlich.«
»Ja, wir sind uns bereits begegnet.«
»Wir würden gern reinkommen und uns mit Ihnen unterhalten.«
»Bitte sehr.«
Gegen den Rat seines Anwalts trat er beiseite und ließ sie herein. Er hatte seine Entscheidung bereits gefällt. Als Anwalt wusste er genau, was der Satz heißt: »Am besten, du sagst gar nichts und leitest alle Fragen an mich weiter.«
Aber er konnte und wollte so nicht leben.
Deshalb führte er sie ins geräumige Wohnzimmer.
Dort hatte er bereits Feuer im Kamin gemacht, schließlich hatte er mit ihrem Besuch gerechnet. Inzwischen war das Holz fast heruntergebrannt, und das rote Glühen verlieh dem Raum mit seinen Kunstgegenständen und Antiquitäten zusätzliche Atmosphäre und Wärme.
»Was für ein Haus«, bemerkte Corbett. »Ich habe es schon von außen bewundert, aber es ist insgesamt einzigartig.«
»Ja, und im Moment mein Zuhause. Am besten, wir setzen uns.«
Eli horchte kurz in sich hinein. Seine Hände waren nicht feucht, sein Puls raste nicht, und sein Hals war nicht trocken. Gut.
Aber mit einem Blick auf Wolfes Visage mit den durchdringend kalten braunen Augen blieb er auf der Hut.
»Schön, dass Sie Zeit für uns haben, Mr. Landon.« Corbett wiederum ließ Eli und seine Umgebung auf sich wirken und setzte sich. »Wie Sie vielleicht gehört haben, gab es einen unschönen Zwischenfall.«
»Soweit ich weiß, wurde gestern eine Leiche beim Leuchtturm gefunden.«
»Ja, das stimmt. Angeblich kannten Sie Kirby Duncan, den Toten.«
»Nein, ich bin ihm nie begegnet.«
»Aber Sie haben von ihm gehört.«
»Ich weiß, dass er sich als Privatdetektiv aus Boston ausgegeben und Erkundigungen über mich eingeholt hat.«
Corbett zückte ein Notizbuch, allerdings eher, um Eindruck zu schinden, wie Eli wusste. »Ist es nicht vielmehr so, dass Sie bei der Polizei ausgesagt haben, Kirby Duncan hätte am Donnerstagabend bei Ihnen eingebrochen?«
»Er war der Erste, der mir einfiel, als ich von dem Einbruch erfahren habe. Da habe ich dem zuständigen Beamten, Deputy Vincent Hanson, seinen Namen genannt.«
Was euch verdammt bekannt sein dürfte, dachte Eli.
»Doch die Frau, die bei dem Einbruch angegriffen worden ist und die Duncan kannte, hat unmissverständlich klargemacht, dass Duncan nicht der Einbrecher gewesen sein kann. Der Mann, der sie gepackt hat, war größer und schlanker. Hinzu kommt, dass Duncan Deputy Hanson Quittungen vorgelegt hat, als dieser ihn am selben Abend dazu verhörte. Sie beweisen, dass er zum Zeitpunkt des Einbruchs in Boston war.«
»Es muss Sie extrem verärgert haben, dass der Kerl herumschnüffelt und Unruhe stiftet.«
Eli sah zu Wolfe hinüber. Ein höfliches Frage-und-Antwort-Spiel konnte man von ihm nicht erwarten. »Ich war nicht gerade begeistert, habe mich aber vor allem gefragt, wer ihn mir auf den Hals gehetzt hat. Und warum.«
»Nun, ganz einfach: Weil jemand wissen will, was Sie so treiben.«
»Das ist nicht schwer herauszufinden. Ich erhole mich, arbeite und kümmere mich um Bluff House, bis meine Großmutter wieder gesund ist. Da Duncan seinem Mandanten kaum mehr berichtet haben kann, dürfte der sein Geld wohl zum Fenster hinausgeworfen haben. Aber das muss er selbst beurteilen.«
»Die Ermittlungen im Mordfall Ihrer Frau sind nicht abgeschlossen, Landon. Sie werden nach wie vor verdächtigt.«
»Das ist mir durchaus bewusst. Und auch, dass Sie mir am liebsten einen zweiten Mord in die Schuhe schieben würden.«
»Wer redet denn von einem zweiten Mord?«
Was für ein raffinierter Mistkerl, dachte Eli, blieb aber gefasst.
»Sie ermitteln ausschließlich in Mordfällen. Würden Sie Duncans Tod für einen Unfall halten, wären Sie nicht gekommen. Das bedeutet, dass es sich entweder um Mord oder um einen ungeklärten Todesfall handelt. Ich war Strafverteidiger. Ich weiß, wie das läuft.«
»Ja, ja, Sie sind mit allen Wassern gewaschen.«
Corbett hob die Hand. »Können Sie uns sagen, wo Sie am Freitag zwischen Mitternacht und fünf Uhr morgens waren, Mr. Landon?«
»Am Freitagmorgen? Ich bin am Donnerstag nach Boston gefahren und war gerade bei meinen Eltern, als ich von dem Einbruch erfuhr. Ich bin sofort zurückgefahren und dürfte so gegen halb zwölf eingetroffen
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