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Das Geheimnis des Falken

Titel: Das Geheimnis des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne DuMaurier
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war anders als vorhin. Er versuchte mich zu taxieren. Es war der Blick eines Ehemannes, der sich plötzlich die Frage stellt, wieso seine schöne Frau es sich wohl habe einfallen lassen, einem Wildfremden etwas vorzuspielen und ihn dann zum Abendessen zu bitten. Offenbar gehörte dergleichen nicht zu den Gepflogenheiten der Signora.
    »Lieben Sie Musik?« fragte er.
    »Leidenschaftlich«, versicherte ich, in der Hoffnung, ihn zu beschwichtigen.
    »Sehr gut«, sagte er wieder und schoß unvermittelt die nächste Frage ab.
    »Wie viele Leute waren auf der Party?«
    Ich saß in der Falle.
    »Sie missverstehen mich, Herr Professor«, sagte ich hastig, »die Party fand am Sonntagmorgen statt.«
    »Dann waren Sie also nicht zum Abendessen hier?«
    »Doch«, sagte ich. »Professor Donati brachte mich mit.«
    »Ah«, sagte er nur.
    Mir begann der Schweiß auszubrechen. Was hätte ich anderes sagen sollen? Abgesehen von seiner Frau, konnte er jederzeit das Mädchen befragen.
    »Es war ein musikalischer Abend«, erläuterte ich. »Wir kamen, um dem Spiel der Signora zu lauschen. Sie spielte uns die ganze Zeit vor, bis wir gingen. Es war ein unvergesslicher Abend.«
    »Davon bin ich überzeugt«, sagte er trocken.
    Irgendwie mußte ich eine Ungeschicklichkeit begangen haben. Womöglich hatte Signora Butali, als sie am Tag darauf ins römische Krankenhaus kam, eine völlig andere Geschichte erzählt, vielleicht, daß sie am Sonntagabend allein gegessen habe, um dann, in plötzlicher Angst um ihren Mann, am nächsten Morgen in aller Frühe aufzubrechen und den weiten Weg nach Rom zu fahren, weil sie an seiner Seite sein wollte. Ich wußte es nicht.
    »In Rom habe ich den Kontakt mit Ruffano weitgehend verloren«, sagte er.
    »Ja«, sagte ich, »das läßt sich denken.«
    »Obwohl wohlmeinende Freunde ihr möglichstes taten, um mich über alles zu unterrichten, was hier vor sich ging«, fuhr er fort. »Manche waren vielleicht auch weniger wohlmeinend.«
    Ich lächelte. Ein gezwungenes Lächeln. Die zupackenden Augen forschten wieder in meinem Gesicht.
    »Sie sagen, Sie seien erst seit einer Woche hier?« fing er von neuem an.
    »Ja, heute wird es genau eine Woche«, sagte ich. »Ich bin letzten Donnerstag hier angekommen.«
    »Aus Turin?«
    »Nein, aus Rom.« Ich fühlte die ersten Schweißtropfen über meine Stirn rinnen.
    »Haben Sie dort in einer der Bibliotheken gearbeitet, oder was haben Sie dort getan?«
    »Nein, Herr Professor. Ich war auf der Durchreise. Und zufällig kam ich auf den Gedanken, nach Ruffano zu fahren. Ich wollte ein wenig ausspannen.«
    Selbst in meinen eigenen Ohren klang meine Geschichte unwahr. Ihm mußte sie doppelt verlogen erscheinen. Außerdem war meine Nervosität zu deutlich spürbar. Einen Augenblick sagte er nichts. Er horchte gespannt auf die Stimme der Signora, die telefonierte – so wie wir vor kurzem auf seine Stimme gehorcht hatten.
    »Entschuldigen Sie, Signor Fabbio«, sagte er nach einer Weile, »daß ich Ihnen Fragen am laufenden Band gestellt habe. Es ist so, daß man mich in den letzten vierzehn Tagen mit anonymen Anrufen belästigt hat, deren Herkunft ich nicht feststellen konnte und in denen gewisse Anspielungen auf Professor Donati gemacht wurden. Einer kam zweifellos aus Rom. Das Sonderbare war, daß die Person am Apparat – es handelte sich um eine Frau, die ihre Mitteilungen im Flüsterton durchgab – die Verbindung immer durch eine zweite Person herstellen ließ, meistens durch einen Mann. Es hätte sogar der Telefonist in der Vermittlung sein können oder jemand in einem Café, der versuchte, ihr zu helfen, da sie offenbar nicht gern selbst sprach. Mir kam eben der Gedanke – und entschuldigen Sie bitte, wenn ich mich irre –, daß Sie dieser Mann gewesen seien und mir etwas über die fatalen Anrufe sagen könnten.«
    Diesmal mußte ich so maßlos erstaunt ausgesehen haben, daß er beruhigt schien.
    »Ich weiß nichts von irgendwelchen Anrufen, Herr Professor«, sagte ich, »und ich glaube, es ist das beste, wenn ich Ihnen gleich sage, daß ich ein Reiseagent bin. Ich arbeite für eine Genueser Firma und war für diese Firma mit einer Autobusgesellschaft von Genua nach Neapel unterwegs, über Rom. Ich habe Sie ganz bestimmt nicht im Auftrag irgendeines meiner Touristen angerufen, und ich habe Ihren Namen nie gehört, bevor ich nach Ruffano kam.«
    Er streckte mir die Hand hin.
    »Das genügt«, sagte er. »Denken Sie bitte nicht mehr daran! Schlagen Sie sich die ganze

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