Das Geheimnis des Felskojoten (German Edition)
trat. Ein kühler Wind kam auf, und Serena fröstelte noch mehr.
Shane blieb mit einem Mal so abrupt stehen, dass sie gegen ihn stieß. Erstaunt blickte sie auf. Shane deutete nach vorn.
»Der Zaun«, raunte er und duckte sich.
Serena tat es ihm gleich.
»Sieht aus wie ein Gefangenenlager«, stellte sie bestürzt fest.
»Besonders wenn man sich den Stacheldraht ansieht, der oben gespannt ist«, meinte Shane.
»Er zeigt nach innen.«
»Genau«, erwiderte Shane. »Anscheinend ist hier jemand mehr darauf bedacht, niemanden rauszulassen, als einem den Zutritt zu verwehren.«
Serena erschauerte. Der Gedanke daran, was sie im Inneren des Berges wohl vorfinden würden, schnürte ihr die Kehle zu. Sie schluckte heftig.
»Es ist immer noch schwierig genug, von außen in das abgesperrte Gebiet zu gelangen«, stellte sie fest. »Der Zaun ist hoch, und du hast gesagt, er ist elektrisch geladen.« Ihre Stimme klang heiser.
Shane nickte. »Außerdem gibt es sicherlich Dutzende von Überwachungskameras und andere Mechanismen, die die Sicherheitsleute alarmieren, sobald sich jemand nähert oder am Zaun zu schaffen macht.«
»Und wie stellst du dir dann vor, dass wir da hineinkommen?«
»Ich weiß es noch nicht«, antwortete Shane leise.
Sie krochen vorsichtig weiter.
Die Bäume öffneten sich. Eine kleine, in Sonnenlicht getauchte Lichtung lag vor ihnen. Auf der anderen Seite der Lichtung ragte der Zaun wie eine Barrikade gen Himmel.
Shane spähte angespannt durch die Bäume.
Plötzlich glitt ein Schatten über die Lichtung.
Serena sah überrascht auf. Ein großer dunkler Vogel zog lautlose Kreise am Himmel – genau über ihnen.
»Shane, sieh nur«, flüsterte sie durch das Rauschen des Windes. »Dort oben.«
Shane blickte auf.
In diesem Augenblick änderte der Vogel die Richtung. Er kippte ein wenig zur Seite und flog zu ihnen zurück. Die Sonnenstrahlen trafen direkt auf sein Gefieder und ließen es goldbraun glänzen.
»Ein Golden Eagle«, flüsterte Shane respektvoll.
»Das ist ein gutes Zeichen, nicht wahr? Das hat deine Großmutter doch gesagt.« Ein Hoffnungsschimmer lag in Serenas Stimme.
»Ja, es ist ein gutes Zeichen«, erwiderte er. »Der Golden Eagle ist ein mächtiges Wesen. Er gilt nicht nur als Behüter aller Dinge, sondern auch …«
»… als Schutz gegen jegliches Böse, wie mächtig es auch scheinen mag«, ergänzte Serena.
Shane lächelte.
»Und sieht man ihn am Himmel, dann wird es als Zeichen dafür angesehen, dass im Kampf Gerechtigkeit vollstreckt werden wird.« Dann fügte er ernster hinzu: »Die Geistwesen sind uns wohlgesinnt.« Er hob den Kopf zum Himmel und flüsterte: »Ich danke euch.« Schließlich wandte er sich wieder an Serena: »Komm, weiter.«
Sie krochen im Schutz der Felsen und Büsche voran, bis der Zaun nur ein paar Schritte von ihnen entfernt war.
»Ich kann den Höhleneingang sehen«, flüsterte Serena aufgeregt.
Eine dunkle, unheimlich anmutende Öffnung tat sich ungefähr einhundert Meter vor ihnen auf der anderen Seite des Zauns im Felsmassiv auf.
»Sieht ganz nach einer alten Mine oder einem verlassenen Bergwerk aus«, murmelte Shane. »Ich wünschte, ich hätte ein Fernglas dabei.«
»Hör nur! Irgendetwas kommt die schmale Straße dort unten heraufgefahren. Irgendein Fahrzeug.«
»Ein Reisebus«, stellte Shane kurz darauf erstaunt fest.
»Und er fährt direkt in die Öffnung in der Felswand«, sagte Serena verdutzt und beobachtete, wie der Bus im Berg verschwand.
»Die Anlage scheint viel größer zu sein, als ich angenommen hatte«, sagte Shane kopfschüttelnd. Von dem Bus war keine Spur mehr zu sehen.
»Achtung!«, rief Serena plötzlich und drückte sich noch flacher auf den Boden. »Da kommt jemand!«
Shane lugte vorsichtig hinter dem Busch vor, hinter dem sie sich versteckten.
»Ein Mann und eine Frau«, berichtete er leise. »Sie scheinen dort zu arbeiten. Sie tragen weiße Kittel.«
Serena spähte nun ebenfalls zum Eingang der Höhle hinunter. Die beiden Mitarbeiter standen beieinander und unterhielten sich anscheinend sehr angeregt.
»Sieht aus, als machten die beiden eine kleine Zigarettenpause an der frischen Luft«, stellte Serena überrascht fest. Im gleichen Augenblick hob sie schnuppernd die Nase. »Was ist das für ein widerlicher Gestank?«
Jetzt bemerkte auch Shane den unangenehmen Geruch. Die Windböen trugen ihn direkt zu ihnen. Er sah sich aufmerksam um, konnte aber nichts entdecken.
Irgendwo knackte es laut im Unterholz.
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