Das Geheimnis des Felskojoten (German Edition)
Verbindungen nach ganz oben und Männer, die die Drecksarbeit für sie erledigen, sollte jemand sich ihnen in den Weg stellen. Außerdem geht es ja lediglich um ein paar Indianer und ein paar wilde Tiere. Beide sind der Gesellschaft sowieso ein Dorn im Auge, wie du ja schon mehrfach selbst mitbekommen hast. Niemand regt sich hier groß über so etwas auf.«
»Aber dies ist Kanada!«
» The True North, strong and free . Ich weiß«, erwiderte Shane ruhig. »Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du nicht alles glauben sollst, was dir im Fernsehen und in den Zeitungen erzählt wird?«
Bevor Serena etwas antworten konnte, gab der Wagen plötzlich ein lautes Geräusch von sich.
»Was war das?«, fragte Serena und hielt sich sicherheitshalber am Türgriff fest.
»Ich weiß es nicht. Aber gut hat es sich nicht angehört. Da hilft nur eins: Musik einschalten, dem Wagen gut zureden und ein paar Nachos futtern.«
Serena sah ihn zweifelnd an.
»Wie weit ist es noch bis Gleichen?«
»Keine zwanzig Minuten.«
»Hoffentlich schaffen wir es bis dahin. Ich habe keine Lust, den Rest der Strecke zu laufen.«
»Wenn die Geistwesen auf unserer Seite sind, werden wir es schaffen«, meinte Shane mit Nachdruck. Er legte eine CD ein und fügte hinzu: »Nacho bitte.«
Mit tadelndem Blick schob Serena ihm ein Nacho in den Mund.
»Jetzt muss ich ihn auch noch füttern …«, murmelte sie.
»Was sagst du?«, fragte Shane über die Musik hinweg.
»Ist schon gut.«
Serena blickte aus dem Fenster hinaus auf die flache, weite Prärie und hörte den Liedern zu.
»Wer singt denn da?«, fragte sie nach einer Weile.
»Johnny Cash natürlich. Das Album heißt Bitter Tears . Gefällt es dir?«
»Die Texte sind sehr depressiv«, stellte Serena fest und ertappte sich dabei, wie sie ebenfalls in die Tüte mit den Nachos griff.
»Das stimmt. Aber sie sind wahr. Johnny Cash wollte mit diesen Lieder aufzeigen, wie es wirklich um die Indianer bestellt ist.«
»Das ist sehr lobenswert«, sagte Serena. »Aber schlägt dir das nach einer Weile nicht aufs Gemüt?«
»Man muss der Wahrheit ins Auge blicken, Reena. Zu viele Leute schauen weg. Und überhaupt, Johnny Cash ist unter uns Indianern äußerst beliebt.«
Der Wagen gab erneut ein merkwürdiges, lautes Blubbern von sich. Serena blickte zaghaft zu Shane hinüber, sagte aber nichts.
»Wir sind gleich da«, meinte er. »Aber jemand muss sich das Auto dringend einmal anschauen. Für längere Strecken taugt es in diesem Zustand nicht mehr.«
Serena klammerte sich nervös an den Türgriff, geradeso, als könne sie den Wagen auf diese Weise dazu bringen, noch ein bisschen länger durchzuhalten.
Endlich bog Shane vom Trans-Canada Highway ab. Ein paar Minuten darauf verlangsamte er das Tempo erneut. Gleichen, der Ort, in dem er aufgewachsen war und in dem seine Mutter und Großmutter wohnten, lag im Licht der tiefstehenden Sonne vor ihnen.
Serena machte Fotos, während Shane den Wagen durch die wenigen Straßen des Dorfes lenkte. Viel gab es nicht zu sehen. Ein paar kleine Geschäfte, eine hübsche weißgestrichene Holzkirche, viele Espen. Die Wohnhäuser waren meist älteren Baujahrs, machten aber einen überwiegend gepflegten Eindruck.
»Wie viele Menschen leben hier noch mal?«, erkundigte Serena sich.
»Um die vierhundert, denke ich.«
»Und du kennst bestimmt jeden mit Namen«, grinste Serena.
»Jeden«, lachte Shane. »Aber das soll nicht heißen, dass ich sie alle mag.«
Sie kamen an den Rand der Ortschaft. Hier schlossen sich ausgedehnte Heuwiesen und feuchte Marschgebiete an. Die frisch gemähten Wiesen und hohen Binsen stellten willkommene Motive für Serena dar, und sie fotografierte gedankenversunken drauflos.
»Ich dachte, deine Mutter und Großmutter leben im Ort. Es sieht so aus, als verließen wir ihn schon wieder.«
»Das Grundstück liegt am äußersten Rand von Gleichen und grenzt an das Reservat an«, erklärte Shane. »Du wirst es jeden Augenblick sehen können.«
Sie kamen an ein Espenwäldchen. Eine wohlbenutzt aussehende Fahrspur führte dazwischen hindurch und verschwand hinter den Bäumen außer Sichtweite.
Shane steuerte den Wagen geradewegs auf diese Fahrspur zu. Dort angekommen, erkannte Serena, warum der weitere Verlauf des Weges von der Straße aus nicht zu erkennen war. Er führte durch eine tiefe Senke.
»Es muss schwer sein, hier im Winter herauszukommen«, stellte sie fest.
Shane lachte.
»Das kannst du laut sagen. Aber fast noch schlimmer ist
Weitere Kostenlose Bücher