Das Geheimnis des Felskojoten (German Edition)
dass Shane wirklich ein süßes Kind gewesen war.
»Sehr niedlich«, sagte sie mit ernster Miene.
»Warum zeigst du Reena meine Kinderbilder?«, fragte Shane verärgert.
»Das muss dir nicht peinlich sein, Junge«, erwiderte Großmutter Storm Hawk unbeirrt. »Ich wollte nur, dass Serena weiß, dass sie sich auf hübsche Kinder freuen darf, falls sie sich entschließen sollte, mit dir zusammen zu sein.«
Shane sah seine Großmutter mit offenem Mund an.
»Wovon redest du?«, fragte er irritiert. »Reena und ich sind kein Paar.«
»Im Augenblick vielleicht noch nicht«, erwiderte Großmutter Storm Hawk. »Aber wenn der entscheidende Moment kommt, dann soll sie doch alle Vor- und Nachteile kennen.«
»Mutter«, warf Helen jetzt ein. »Ich dachte, wir hatten verabredet, dass du dich nicht mehr in Shanes Liebesleben einmischst?«
»Aber …«, begann Großmutter.
»Aber«, unterbrach Shane sie, »vielleicht hast du vergessen, dass Reena die Schwester meines Freundes ist und dass mir diese Freundschaft sehr am Herzen liegt.«
»Das eine schließt das andere doch nicht aus«, murmelte Großmutter Storm Hawk.
»Und sie ist mindestens zehn Jahre jünger als ich«, warf Shane ein.
»Aber sie scheint nett zu sein und ist dazu auch noch sehr hübsch. Und Altersunterschied hat bei unserem Volk noch nie eine große Rolle gespielt.«
»Ich fühle mich wirklich sehr geehrt«, wandte Serena sich an die alte Dame. »Aber es hat ganz andere Gründe, warum wir zu dir gekommen sind.« Sie warf Shane einen auffordernden Blick zu.
»Das ist absolut richtig«, erklärte er schnell. »Es geht um Fabian. Er steckt in großen Schwierigkeiten. Wir müssen ihn unbedingt finden. Aber vielleicht setzen wir uns lieber. Es kann etwas dauern, bis alles erzählt ist.«
Dann berichtete er der Reihe nach von den Vorfällen der letzten Tage und den Schlussfolgerungen, die er und Serena daraus gezogen hatten. Er ließ nicht die kleinste Einzelheit aus. Er wusste, seine Großmutter konnte ihnen nur dann helfen, wenn sie sich ein komplettes Bild von ihrer Lage machen konnte.
Als er geendet hatte, legte sich bedächtiges Schweigen über das kleine Haus.
Schließlich war es Großmutter Storm Hawk, die das Wort ergriff.
»Ihr habt richtig gehandelt«, sagte sie ernst. »Ich werde die Schwitzhüttenzeremonie für euch durchführen. Gleich morgen früh bei Dämmerung. Es wäre unklug, unnötig Zeit zu verlieren.«
Serena war beeindruckt. Bevor Shane mit seinem Bericht begonnen hatte, war Großmutter Storm Hawk so … sie wusste nicht, wie sie es ausdrücken sollte, irgendwie so gewöhnlich gewesen. Serena hatte beinahe daran gezweifelt, dass sie die richtige Person für ihr Problem aufgesucht hatten. Aber nun waren alle ihre Zweifel beseitigt. Die alte Dame hatte die ganze Zeit über still auf dem Sofa gesessen und aufmerksam zugehört, ohne Shanes Bericht zu unterbrechen. Und jetzt lag etwas so Würdevolles in ihrem Gesicht, dass sie in Serenas Augen das absolute Ebenbild einer weisen alten Indianerin darstellte.
Auch Shanes Mutter Helen nahm die Angelegenheit sehr ernst.
»Wer soll bei der Zeremonie der Hüter des Feuers sein?«
»Du, Tochter«, erwiderte die alte Dame. »Shane sagte, dass man ihnen höchstwahrscheinlich hierher gefolgt ist. Ich denke, es ist am besten, wenn die Sache unter uns bleibt.«
Helen nickte.
»Fahren wir gleich?«, fragte sie. »Bevor es dunkel wird?«
»Ja, sofort.«
»Ich mache alles bereit«, erklärte Helen und verließ das Wohnzimmer.
»Ich danke dir, Grandma«, sagte Shane lächelnd und drückte ihre Hand. Dann fügte er hinzu: »Mein Wagen läuft nicht gut. Er schafft es womöglich nicht bis da draußen.«
»Wir können meinen nehmen«, erklärte Großmutter Storm Hawk.
»Wohin fahren wir?«, erkundigte Serena sich.
»Grandma führt ihre Schwitzhüttenzeremonien nie auf diesem Grundstück durch, das ist zu nahe am Dorf«, erklärte Shane. »Draußen auf dem Reservat gibt es einen Ort, der besser dafür geeignet ist. Er ist einsam gelegen, gleich neben einem kleinen Bach. Dort steht Grandmas Schwitzhütte.«
»Ich verstehe. Kann ich irgendwie behilflich sein?«
»Du kannst meiner Mutter beim Zusammensuchen der Decken und Lebensmittel helfen, wenn du magst«, meinte Shane. »Ich mache inzwischen Grandmas Auto startklar.«
»Und ich gehe kurz mit Tiger vor die Tür, damit er sein Geschäft machen kann. Er wird nämlich hierbleiben und das Haus bewachen, bis wir zurück sind«, sagte Großmutter
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