Das Geheimnis des Felskojoten (German Edition)
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Eine Weile beobachteten sie schweigend die hell lodernden Flammen. Am Himmel erschienen die ersten Sterne, und es wurde etwas kühler.
»Du hast mir sehr gefehlt, Fabian«, sagte Serena leise.
»Du mir auch.« Er drückte ihre Hand.
»Ich weiß, es ist unmöglich, aber ich wünschte, alles wäre wieder so wie früher. Erinnerst du dich?«
»Natürlich erinnere ich mich«, erwiderte Fabian sanft. »Ich erinnere mich an alles, selbst an die Zeit, als du noch ein ganz kleines Baby warst. Ich könnte das nie vergessen, könnte dich nie vergessen. Das musst du doch wissen. Du bist und bleibst für immer meine kleine Schwester.«
»Erzähl uns von deiner Zeit im Kloster«, bat Serena. »Ich weiß nichts von dem, was du in den letzten drei Jahren gemacht hast oder wie es dort aussieht.«
Also begann Fabian zu erzählen. Er berichtete von den alten Steingebäuden des Klosters, hoch und sehr abgeschieden im südtiroler Schnalstal gelegen, von den schweren Holztoren, den kühlen Bogengängen und den kargen Parzellen der Kartäusermönche.
»Und jeder lebt wirklich ganz für sich in seiner kleinen Welt und spricht mit niemandem, außer bei den wöchentlichen Spaziergängen?«, fragte Serena erstaunt.
»Alle, außer Bruder Lukas«, lachte Fabian.
»Aber du hast nicht in einer solchen Parzelle gewohnt?«
»Nein. Das Gelübde, das ich abgelegt habe, war ein anderes. Ich habe in der Gemeinschaft der Brüder gelebt, die sich um die Mönche in den Parzellen kümmern. Wir haben Brot gebacken und gekocht, Mahlzeiten zu den Bewohnern der Parzellen gebracht und alle möglichen Handwerksarbeiten verrichtet. Aber ich muss zugeben, dass ich am liebsten in den Gärten gearbeitet habe.«
»Tatsächlich?« Serena war erstaunt. »Mit Gartenarbeit hattest du vorher nie etwas am Hut.«
»Aber du hättest die Gärten sehen sollen, Serena«, schwärmte Fabian. »Im Kreuzgarten wachsen die verschiedensten Heilkräuter. Es ist ein wahres Sinneserlebnis, im Sommer dort umherzugehen. Und um den Kreuzgarten ranken unzählige Rosen an den Säulen der Bogengänge. Wenn sie in voller Blüte stehen, dann liegt ein besonderer Zauber über den alten Gebäuden. Und dann die Obst- und Gemüsegärten, die sich außerhalb der Klostermauern befinden. Sie sind in Terrassen angelegt, die sich den Berghang entlangziehen. Du kannst dir nicht vorstellen, was wir dort alles angebaut haben. Ich sage dir, man könnte meinen, man sei bereits im Paradies angekommen, wenn man diese Gärten sieht. Ein kleines, unscheinbares Saatkorn zu pflanzen und zu beobachten, wie daraus eine große, starke Pflanze wächst, die Menschen nährt, das ist für mich etwas ganz Besonderes.«
»Und was hast du sonst noch so gemacht?«, erkundigte Serena sich wissbegierig. »Ich meine neben dem Beten, dem Backen, Kochen und Gärtnern?«
»Ich habe Latein, Griechisch und Italienisch studiert. Das hat mir ebenfalls viel Spaß gemacht.«
»Was mich interessieren würde«, meldete Shane sich jetzt zu Wort, »ist, wie du zu dem Namen Simeon gekommen bist. Du weißt ja, Namen sind bei meinem Volk sehr wichtig.«
»Die Ältesten haben mir diesen Namen gegeben, als ich dem Kloster beigetreten bin.«
»Weißt du, was er bedeutet?«
»Soviel ich weiß, bedeutet Simeon: das Geschenk der Erhörung «, sagte Fabian. »Mir hat er sehr gefallen.«
»Der Name hat dir die Kraft gegeben, die du brauchtest, um deinen Entschluss zu fassen«, stellte Shane fest. »Du darfst dankbar dafür sein, dass dir der Name gegeben wurde. Er wird für immer ein Teil von dir sein.«
»Weiß jemand, was Serena bedeutet?«, wollte Serena wissen.
»Natürlich«, antwortete Fabian sofort. »Ich habe Mutti beim Aussuchen des Namens geholfen. Serena bedeutet heiter oder auch glücklich .«
»Ein sehr passender Name«, sagte Shane lächelnd.
»Danke«, erwiderte Serena. »Was ist für dich das Wichtigste, das du im Kloster gelernt hast?«, wandte sie sich erneut an Fabian.
Er dachte einen Augenblick nach.
»Ich habe gelernt, das Wohl anderer über mein eigenes zu stellen«, meinte er schließlich. »Und ich habe erfahren, wie kraftvoll ein Gebet sein kann, wenn es von Herzen kommt. Aber nachdem ich eine Weile in der Gemeinschaft der Klosterbrüder gelebt hatte, ist mir noch etwas anderes aufgefallen, etwas sehr Erstaunliches: nämlich wie viele Menschen einer unechten Spiritualität nachlaufen. Anstatt sich auf ihrer Suche nach dem Sinn des Lebens ihre eigenen Gedanken zu machen, hängen sie sich lieber
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