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Das Geheimnis des Nostradamus

Das Geheimnis des Nostradamus

Titel: Das Geheimnis des Nostradamus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uschi Flacke
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Brettertür, der Schein einer Kerze flackerte ihr unruhig entgegen. Bald war wieder alles ruhig. So ruhig, als würde die Zeit den Atem anhalten.
     
     
    Schon kurz nach Sonnenaufgang lief Marie zum Haus des Nostradamus, um die Hausarbeiten zu verrichten.
    Der Himmel war mit sanften Rottönen überzogen. An den Häuserwänden räkelten sich Flüchtlinge. Verdreckte Kinder hatten ihre Köpfe in den Schoß der Väter und Mütter gelegt und schliefen zusammengerollt wie Straßenköter, die man vom Hof gejagt hatte. Die alte Madame Moulin schlurfte gerade wieder durch die Toreinfahrt und fegte die Pflastersteine. Sie stand gebeugt, mit dem Rücken zu Marie. Den Reisigbesen hielt sie mit ihren Händen fest umklammert. Das weiße Haar hing in zotteligen Zöpfen auf ihre Schultern herunter. Plötzlich seufzte sie auf. Der Reisigbesen fiel ihr aus der Hand. Für ein paar Atemzüge stand sie regungslos. Ein Zucken ging durch ihren Körper, dann sackte sie in sich zusammen. Ihr Hinterkopf schlug auf dem Steinpflaster auf. Der Kopf rollte herum, als wollte er ein letztes Mal prüfen, ob er fest auf dem Hals saß. Unter dem Kinn klaffte eine schwarze Wunde, aus ihrem verzerrten Mund sickerte Blut. Die Augen, die mit einer Perlmutthaut überzogen schienen, hatte sie starr aufgerissen. Marie hielt sich erschrocken die Hände vor den Mund. Da kreischte ein Weib auf: »Die Pest! Die schwarze Pest ist in Agen!« Menschen liefen entsetzt zusammen und rannten wie getrieben durch die Straßen. »Die Pest! Die Pest!« Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht: »Die schwarze Pest ist in Agen!«
    Marie starrte immer noch auf Madame Moulin, die regungslos mit verzerrtem Gesicht am Boden lag. Das Blut war über die Wange ins geflochtene Haar gesickert. Es schimmerte fleckigrot in der frühen Morgensonne. Erste verblühte Blätter der Kletterrosen taumelten verloren zu Boden.
    Im nächsten Moment rannte Marie los zum Haus des Arztes. Vielleicht war Nostradamus ja schon wieder von seiner Reise zurück. Und wo waren Catherine, Suzanne und René? Oder sollte sie nicht doch lieber zu den Eltern laufen? Zu ihren Geschwistern? Und wo war Manuel? Innerhalb kürzester Zeit war die kleine Stadt in hellem Aufruhr. Die Glocken der Kathedrale begannen stürmisch zu läuten. Jammern, Klagen, markerschütternde Schreie und eilige Schritte hallten durch die Straßen. Schon bald war das helle Glöckchen, das Pestglöckchen, zu hören, das am Leichenkarren befestigt worden war. Madame Moulin wurde von den Leichenträgern, den alabres, auf den Holzkarren geworfen. Ihre Gichthand baumelte leblos über dem Bretterverschlag, der Ärmel war hochgerutscht. An ihren dürren Armen wölbten sich schwarze Beulen.
    »Marie!«, hörte sie plötzlich die Stimme von Manuel. Er stand in der Menge, die sich vor der Apotheke zusammendrängte.
    »Wo ist der Arzt?«, rief einer mit heiserer Stimme. »Nostradamus! Wo steckt er?«
    Marie schaute zu den Menschen, die sie mit weit aufgerissenen Augen anstarrten.
    »Ich weiß nicht«, rief sie mit erstickter Stimme. »Er wird bestimmt bald zurück sein. Er hat es versprochen.«
    »Nostradamus«, schallten Sprechchöre die Straße hoch. Jemand nahm einen Stein und schleuderte ihn gegen die Hauswand. »Ruhig!« Manuel hob die Hände wie ein Prediger. »Geht nach Haus und verhaltet euch ruhig. Er wird bestimmt heute noch zurückkommen!«
    Zögerlich wichen die Menschen auseinander. Marie zog mit zitternden Fingern den Schlüssel aus ihrem Lederbeutel.
    »Los, schließ auf«, raunte Manuel ihr zu. Hastig öffnete sie die Tür. Er schaute sich aus den Augenwinkeln nach allen Seiten um und drängte sie in den düsteren Flur.
    »Hier, nimm die Tasche«, sagte er und drückte sie ihr in die Hand. »Versteck sie gut, ja? Versprichst du es?«
    Marie nickte verwirrt. Er nahm ihren Kopf zwischen die Hände, sah sie mit flackernden Augen an und gab ihr einen zarten Kuss auf den Mund. »Morgen komme ich wieder. Morgen!«
    Und schon war er wieder auf der Straße.
    Marie lief mit der Tasche die schmale Holztreppe hoch. »Catherine?«, rief sie. Ihre Stimme klang gepresst. »Suzanne?« Aber die Wohnung war leer. Der Rosenstrauß auf dem Holztisch war verwelkt, es roch nach Fäulnis und verdorbenem Brei. Schnell verstaute sie die Ledertasche ganz hinten unter dem dunkelgrünen Sofa und lief wieder hinunter auf die Straße. Es war, als hätte sich die Pest ganz plötzlich wie ein überreifes Geschwür über die Stadt gelegt. Menschen liefen

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