Das Geheimnis des Rosenhauses - Roman
Prinz. Die Soldaten feixten. Prinz Dorvid durchmaß mit nervösen Schritten den Raum, schließlich blieb er vor Damiano stehen.
»Dann bist du also Graviatas ältester Sohn«, stellte er fest. »Du hast mit einem Dolch ein Loch in unseren guten Vaserin gestochen. Wie ich vermute, hat er deine Liebste verführt. Habe ich recht?«
Damiano nickte. »Aber es war nicht so, wie er es später geschildert hat. Es war sein Dolch. Er ist damit auf mich losgegangen. Ich habe mich gewehrt, wir haben gekämpft und das Messer ist in seinen Rippen gelandet statt in meinen. Was kann ich dafür, dass der Herr Graf so ein ungeschickter Kämpfer ist.«
»Habt Ihr gehört, Graf? Man wirft Euch Ungeschicklichkeit vor. Sollte ich vielleicht besser Unschicklichkeit sagen? Oder beides? Ihr lasst Euch erwischen, wie Ihr mit Blumen und Liebesgesäusel ins Gemach der Frau schleicht, die offiziell als meine Verlobte gilt?«
Der Graf war plötzlich sehr blass. »Hoheit«, stammelte er, »sie ist eine Hexe. Sie hat mich behext.«
»Schon möglich«, nickte der Prinz. »Und wegen dieser Möglichkeit sei Euch erlaubt, Euch auf Eure Güter zurückzuziehen. Die Luft in der Hauptstadt und hier im Palast ist Euch nicht zuträglich. Ihr versteht?«
Der Graf nickte stumm. Er sah aus, als würde er gleich zu weinen beginnen.
»Die Anzeige gegen den jungen Damiano zieht Ihr selbstverständlich zurück«, setzte der Prinz hinzu. »Und nun geht und packt Eure Sachen. Bald schon graut der Morgen, dann wird die Stadt von Eurer Gegenwart befreit sein!«
Wie ein geprügelter Hund schlich der Graf aus dem Zimmer. Fast hätte er einem leidtun können.
Damiano wollte gerade zu einer dankbaren Verbeugung ansetzen, als ein fürchterlicher Lärm losbrach, ein ohrenzermürbendes Läuten, schräg und jaulend. Clarisse wurde wach, bäumte sich in ihren Fesseln und spie in hohem Bogen den Knebel aus. »Haragharaghrr«, gurgelte sie. Und dann waren sie da, drei hohe schwarze Gestalten, sehr groß, sehr düster. Nachtdunkler Nebel umwaberte sie, Kälte umgab sie. Alle wichen zurück, so weit es irgend möglich war. Diese schwarzen Gestalten waren keine Menschen, Lulu erkannte es sofort.
»Wer hat uns gerufen und warum?«, sangen drei unheimliche Stimmen.
»Ich habe Euch rufen lassen, auf Bitten dieser Kinder«, antwortete Prinz Dorvid. »Sagt uns bitte, Exzellenzen, ob diese Frau, die dort gefesselt liegt, eine Hexe ist.«
»Selbstverständlich«, sangen die Stimmen. »Warum habt Ihr sie gebunden?«
»Sie gibt sich als Anassia Bolin, meine Braut, aus. Doch sie hat den Körper meiner Braut gestohlen und Anassias Geist in ihren eigenen alten Körper gesteckt!«
Clarisse begann zu kreischen, eine kaum wahrnehmbare Bewegung der drei Gestalten brachte sie zum Verstummen.
»Körpertausch, Seelenraub ist ein furchtbares Verbrechen«, sangen die Stimmen. »Wir werden prüfen, ob Euer Verdacht zutrifft.«
Sie verlängerten ihre Arme. Der schwarze Nebel, aus dem ihre Gewänder bestanden, wuchs in die Länge, waberte durch den Raum, tastete die Körper der beiden Frauen ab. Die Alte ließ es verwundert geschehen, Clarisse jedoch wand sich furchtbar, wie eine Schlange wälzte sie sich, versuchte den forschenden Armen zu entkommen. Doch all ihre Anstrengung nutzte nichts, der Nebel drang in sie ein. Fast war es, als würden die drei Hexenpolizisten zu einem einzigen Wesen verschmelzen, zu einer Art riesigem Insekt, das mit sechs Beinen erbarmungslos seine Opfer sezierte. Clarisses Kampf mit anzusehen war schlimm. Der Prinz schirmte seine Augen mit den Händen ab. Ellwin nahm Bumbums Kopf unter seine Jacke.
»Schrecklich ist das Verbrechen des Seelenraubs«, sangen die Stimmen. »Schrecklich ist die Strafe, die deiner wartet, Clarisse!«
Da fand Clarisse ihre Stimme wieder. Fetzen der Hexensprache brodelten aus ihrer Kehle, verstümmelte Flüche, abgehackte Verwünschungen, furchtbare Schreie, so gellend, dass die Kristall- und Porzellanfiguren in den Regalen zerplatzten. Clarisse zuckte, als würde sie gefoltert, stöhnte noch einmal und lag still.
Das Zucken und Schreien sprang auf die Alte über, nie hätte man es für möglich gehalten, dass in einem alten Körper so viel Kraft stecken, dass eine uralte Kehle solche Laute hervorstoßen könnte. Und dann war auch das vorbei. Schwer kippte die Alte aus ihrem Sessel und lag bäuchlings auf dem Boden. Ihre Röcke waren hochgerutscht, ihre Beine, ihre ganze Gestalt eigenartig verrenkt. Doch sie war nicht tot. Ihre
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