Das Geheimnis des Templers - Collector's Pack
sicher ein Grund, warum er überwiegend misstrauische Blicke erntete und er die Ordensburg seit der Razzia in der »Taverne der Engel« nicht mehr ohne sein Schwert und seinen Messergürtel verlassen hatte. Obwohl er angesichts seines Vorhabens lieber Zivilkleidung getragen hätte, wäre es ihm ohnehin nicht möglich gewesen, weil er bei seiner Flucht aus Antarados neben seinem geliebten Streitross auch seine private Kleidung hatte zurücklassen müssen. Wenigstens war ihm das Liebesgedicht seiner verstorbenen Frau geblieben sowie der Siegelring seiner Familie und sein Wappenbuch. Alles zusammen trug er stets in einer kleinen Ledertasche um den Hals direkt über dem Herzen. Dass ihm nach dem Überfall der Mameluken darüber hinaus sein kostbarer Anderthalbhänder nicht verlorengegangen war sowie das einfache, silberne Kreuz, das er wie alle Brüder an einem Lederband um den Hals trug, hatte er Struan zu verdanken, der nicht nur sein Leben, sondern auch seine wertvollste Habe vor den Heiden gerettet hatte.
Trotz des engen Bandes zwischen ihm und dem Schotten, das seit Antarados noch enger geworden war, hatte er Struan nicht gesagt, wohin er sich begab. Nur der Wachhabende am Tor der Ordensburg von Nikosia wusste Bescheid, als er ihm den vom Ordensmeister unterzeichneten Passierschein gezeigt hatte.
Mit ausladenden Schritten näherte er sich der westlichen Altstadt, wo das Haus von Wardas Tante zu finden war. Auch wenn Warda vielleicht nicht dort lebte, würde ihre Tante wahrscheinlich wissen, wo sie sich aufhielt. Zum Abschied hatte er ihr einen Brief geschrieben. Etwas, das normalerweise im Orden nicht erlaubt war, aber für Warda ging er das Risiko ein. Welche Bedeutung hatte schon ein einfacher Brief gegen das, was Hugo d’Empures dem Orden zugefügt hatte? Der ehemalige Kommandeurleutnant war der eigentliche Grund, warum Gero nicht abreisen konnte, ohne Warda Lebewohl zu sagen. Ihr hatte er es zu verdanken, dass er überhaupt auf Hugos Verrat aufmerksam geworden war. Dabei betrachtete er es als besonderes Glück, dass die einstige Hure, die sie bei ihrem ersten Aufeinandertreffen noch gewesen war, des Lesens und Schreibens in lateinischer Schrift mächtig war, was bei einer Frau ihrer Herkunft noch lange keine Selbstverständlichkeit darstellte. Dass sie so klug und gebildet war, hatte Gero neben ihrer aufreizenden Erscheinung gleich zu Beginn ihres Kennenlernens fasziniert.
Am Tag zuvor hatte er unzählige gedankliche Anläufe unternommen, in einem Schreiben zu erklären, warum er sich in den vergangenen Monaten nicht bei ihr hatte melden können. Trotz allem, was er ihr nicht zu geben vermochte, fühlte er sich ihr zu tiefster Dankbarkeit verpflichtet. Doch am Ende war er zu dem Schluss gekommen, dass all die Worte, die er sich zurechtgelegt hatte, viel zu förmlich klangen. Auf dem kostbaren Papier, das er im Skriptorium unter Vortäuschung falscher Tatsachen erbeten hatte, waren dann am Ende lediglich drei Sätze und ein Name übriggeblieben: Es tut mir leid. Ich danke dir für alles. Ich werde immer an dich denken. Gero.
Seit er nach Nikosia zurückgekehrt war, hatte er pausenlos an Warda denken müssen, aber keine Gelegenheit gefunden, ihrer Tante einen Besuch abzustatten, um herauszufinden, ob sie, wie verabredet, dort Unterschlupf gefunden hatte.
Bevor er das orientalisch anmutende Gebäude mit den spitz zulaufenden Fensterbögen und dem kühlen Innenhof erreichte, blieb er mehrmals stehen und überlegte, ob es vielleicht besser wäre, einfach wieder umzukehren. Doch dann sagte er sich, dass schließlich nichts dabei war, eine alte mürrische Frau aufzusuchen und sie nach dem Verbleib ihrer Nichte zu fragen. Wenn er Pech hatte, würde sie ihm noch nicht einmal die Tür öffnen oder sie ihm vor der Nase zuwerfen, kaum, dass sie ihn erblickt hatte.
Als er klopfte, ließ er sich noch immer Dutzende von Szenarien durch den Kopf gehen, was als Nächstes geschehen könnte.
Schließlich wurde die eisenbeschlagene Tür mit einem Knarren geöffnet, und zu seiner Überraschung trat ihm ein bulliger Zypriot mit finsterem Blick entgegen. Instinktiv legte Gero seine Hand an das T-Heft seines Schwertes und straffte die Schultern.
»Was wollt Ihr?«, knurrte ihn der bärtige Kerl an. Gero sammelte sich für einen Moment, weil er nicht mit einem solchen Ungetüm gerechnet hatte. Der Kerl schaute ihn derweil an, als ob er ihn meucheln wollte. Gero registrierte beiläufig den ärmellosen Rock seines Gegenübers und
Weitere Kostenlose Bücher