Das Geheimnis des Templers - Episode VI: Mitten ins Herz (German Edition)
Großmeister sich zurzeit aufhält – weitgehend evakuieren, und zwar ohne
Wissen der jeweiligen Bewohner.«
Gero schaute verblüfft auf. »Wie soll das vor sich gehen?«
»Die Ritter der umliegenden Komtureien werden – soweit möglich – zu Aufgaben herangezogen, die sie erst nach Mitternacht zu
ihren angestammten Häusern zurückkehren lassen. Sollte es bis dahin zu einem Übergriff von Philipps Soldaten gekommen sein,
besteht bei der Rückkehr immer noch die Möglichkeit zur Flucht. Die Knappen verbringen wir nach Clairvaux. Mit Ausnahme von
Matthäus. Er wird mit Euch reiten. Das Gesinde verbleibt hier, um keinen unnötigen |28| Verdacht zu erregen und auch, weil wir hoffen, dass es Philipp von Franzien nur auf unmittelbare Angehörige des Ordens abgesehen
hat. Und jetzt komme ich zu Eurer eigentlichen Aufgabe.«
D’Our atmete tief durch und sah Gero ernst an. »Für den Fall, dass die Befürchtungen des Hohen Rates eintreffen, werdet Ihr
Euch unverzüglich in die deutschen Lande begeben. Euer Knappe und die beiden Ordensbrüder Johan van Elk und Struan MacDhughaill
werden Euch begleiten. Matthäus werdet Ihr bei den Zisterziensern in Hemmenrode in Sicherheit bringen. Ich bin sein einziger
noch lebender Verwandter. Er wäre ein zu kostbares Unterpfand für König Philipp, wenn er mich und dazu noch meinen Neffen
zu fassen bekäme.«
Bevor d’Our fortfuhr, trank er noch einen hastigen Schluck, stellte den Becher zur Seite und griff nach einer Karte, die neben
ihm auf einem Stuhl lag. Geschickt entrollte er den erstaunlich genauen Plan.
»Zusammen mit den beiden Ritterbrüdern werdet Ihr den Rhein überqueren und Euch in die Zisterzienserabtei von Heisterbach
begeben. Ich weiß von Eurem Vater, dass Euch die Örtlichkeit bekannt ist. Abt Johannes von Heisterbach dort ist im Rahmen
seiner Aufgabe eingeweiht. Er wird Euch nach Bekanntgabe eines Losungswortes – es lautet ›computatrum quanticum‹ – zu unserem
Mittelsmann führen. Dieser Mann ist ebenfalls ein geheimer Bruder des Hohen Rates«, sprach d’Our weiter. »Er ist wie ich in
die Angelegenheit eingeweiht. Danach werdet Ihr ihn zu einer verborgenen Kammer unterhalb des Refektoriums führen. Über den
sich anschließenden Gewölbekeller gelangt Ihr zu einer eisernen Tür. Sie führt zum Abwasserkanal. Öffnet sie und geht zwölf
Schritte in östliche Richtung, dort macht der Gang einen leichten Knick und wendet sich Richtung Nordosten. Von dort aus sind
es noch einmal zwölf Schritte, und Ihr befindet Euch direkt unter dem Klosterfriedhof. Dort wendet Ihr Euch nach rechts. Zwischen
den Mauersteinen findet Ihr eine kleine Vertiefung, die sorgsam mit Lehm verputzt ist. Brecht sie auf, und ergreift den darunter
liegenden Hebel. Mit ihm lässt sich eine geheime Pforte öffnen. Dahinter befindet sich die Kammer, in der das Haupt der Weisheit
verborgen liegt.«
»Ich kenne den Gang«, sagte Gero leise. »Er dient den Brüdern unter anderem als Fluchtweg. Wenn die Mönche eine Verfehlung
begangen haben, müssen sie zur Strafe die Rinne schrubben. Acht Latrinenlöcher |29| führen die Exkremente direkt dort hinein.« Ihm war anzusehen, wie unwahrscheinlich er es fand, dass ausgerechnet in diesem
stinkenden Abfluss eine Art Heiligtum verborgen sein sollte.
»Wenn Ihr dort angekommen seid«, fuhr d’Our unbeeindruckt fort, »eröffnet Ihr dem Mittelsmann ein weiteres Losungswort. Dafür
müsst Ihr die erste Strophe des zweiten Antiphon von ›Gottes Größe und Güte‹ anstimmen … Laudabo Deum meum in vita mea … Geht
Euch das zu rasch?« D’Our bedachte seinen Untergebenen mit einem fragenden Blick.
Wie betäubt schüttelte Gero den Kopf.
»Was Bruder Struan und Bruder Johan angeht, so werdet Ihr sie nur insoweit einweihen, wie es Euch notwendig erscheint. Es
reicht vollkommen aus, wenn Sie darum wissen, dass sie Euch in die deutschen Lande begleiten müssen. Alles weitere erfahren
sie – wie Ihr selbst – vor Ort vom Bruder des Hohen Rates.«
»Und was geschieht, wenn der Überfall auf den Orden gar nicht stattfindet?« Geros Blick offenbarte seine Ratlosigkeit.
»Dann hat unser Großmeister Recht behalten, und der angekündigte Orkan rast tatsächlich, ohne einen Schaden zu hinterlassen,
an uns vorüber«, bemerkte d’Our mit einem fatalistischen Unterton in seiner Stimme. »Natürlich bleibt dann alles beim Alten.
Ihr werdet nicht fliehen, und unser heutiges Gespräch hat nie
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