Das Geheimnis meiner Mutter
auf eine Weise, an die er schon tausend Male gedacht hatte. Fuhr mit seinem Daumen die Linie ihrer Wangen nach, hob ihr Gesicht zu seinem an und wollte sie küssen, in ihr ertrinken und Vergessen finden.
Irgendwie verhedderte sich die Liebe, die sie beide für Joey empfanden, mit den Gefühlen, die sie füreinander hatten, und bald küssten sie sich, und so verrückt es war, sie bewegten sich küssend in Richtung Schlafzimmer, verzweifelt bemüht, der Wahrheit zu entfliehen, und dennoch gemeinsam hier gefangen, während die Dunkelheit sich um sie herum senkte. Sie hinterließen eine Spur aus ihrer Kleidung auf dem Boden, und als sie endlich das Bett erreichten, gab es nichts Trennendes mehr zwischen ihnen. Sie schmeckte nach Champagner und Tränen, und sie schlang ihre Arme um seinen Hals und küsste ihn weiter und ließ nicht nach. Es war verrückt, sie war verrückt, sie beide waren verrückt, aber sie ließ ihn nicht los.
Sie hielt ihn fest, zog sich aber so weit zurück, dass ihre Lippen nur noch ein Flüstern entfernt waren. „Er hat dich gebeten, dich um mich zu kümmern“, sagte sie. „Wie willst du das anstellen, Rourke?“
Das Klingeln des Telefons drang scharf wie ein Messer durch Jennys alkoholgetrübten Schlaf. Sie rührte sich und stöhnte, als sie versuchte, sich vor dem Lärm zu verstecken, doch er blieb unerbittlich. Ihr Kopf fühlte sich an wie ein Fels, es war unmöglich, ihn anzuheben. Endlich hörte das schrille Klingeln auf, und auf der anderen Seite des Zimmers ging der Anrufbeantworter an. Sie konnte ihre eigene Stimme hören, die den Anrufer begrüßte. Jenny streckte sich und stieß gegen einen warmen, nackten Körper unter dem Laken. Starke Arme zogen sie an sich, und ein schläfriger Seufzer pustete gegen ihren Nacken. Oh-Gott-oh-Gott. Rourke. Sie hatte mit Rourke geschlafen. Joey war tot, und sie hatte betrunken umwerfenden Sex mit Rourke gehabt.
Dafür würde sie in der Hölle schmoren.
Der Anrufer fing an, seine Nachricht aufzusprechen. Es klang so sehr wie Joey. Was bedeutete, dass sie vermutlich immer noch betrunken war. Oder träumte, denn Joey war tot, vermisst seit einem Helikopterabsturz. Wie eine Schlafwandlerin ging sie splitterfasernackt an die Kommode, auf der die kleine schwarze Maschine stand, aus der die immer noch so vertraut klingende Stimme ertönte. „… alles ein Missverständnis“, sagte er. „Mein Name stand auf der Liste, aber ich war nicht in dem Hubschrauber …“
Jenny lachte laut auf, Tränen rannen über ihre Wangen, als sie das Telefon aufnahm und sagte: „Joey?“
Es folgte die übliche Verzögerung eines Ferngesprächs, dann hörte sie ihn sagen: „Baby, ich bin so froh, dass du rangegangen bist. Ich weiß, dass es erst fünf Uhr morgens ist, aber ich musste dich wissen lassen, dass es mir gut geht. Ich habe gerade schon mit meinem Dad telefoniert. Es hat in letzter Minute eine Auswechslung gegeben. Ich war nicht bei der Gruppe …“
Sie konnte nicht sprechen. Konnte kaum atmen, und sie zitterte vor Erleichterung, als Joey irgendetwas über eine Liste erzählte, die von einem Sergeant erstellt und an jemand anderen zur Archivierung gegeben worden war. Beim Einsteigen in den Hubschrauber hatte Joey sich verletzt und war zur Krankenstation geschickt worden. „Wie ein Idiot hatte ich vergessen, meine Brille aufzusetzen, und mir ist etwas ins Auge geflogen. Sie schicken mich zur Operation nach Deutschland.“
„Jen?“, rief Rourke ihr aus dem Bett zu. „Wer ist da am Telefon?“
Sie wirbelte herum, um ihn zum Schweigen zu bringen, aber es war zu spät. „Was macht Rourke denn um diese Zeit bei dir?“, fragte Joey. Der Ton in seiner Stimme hatte sich verändert, war schärfer geworden.
Und in dem Moment wusste Jenny, dass Joey vermutlich die ganze Zeit von der Sache zwischen ihr und Rourke gewusst hatte. „Als ich es gehört hatte, habe ich ihn gebeten rüberzukommen“, sagte sie. „Er ist dein bester Freund. Wen sollte ich wohl sonst anrufen, Joey?“
Darauf gab er ihr keine Antwort. Stattdessen sagte er: „Ich werde entlassen. Die Ranger haben keine große Verwendung für einen einäugigen Soldaten. Ich komme nach Hause.“
Sie stand da, nackt und immer noch warm von Rourkes Berührung, hielt das Telefon in der Hand, während er durch das Zimmer auf sie zukam, die Haare zerzaust, den Blick verwirrt. Und sogar jetzt, als sie ihn anschaute, spürte Jenny hilflose Lust, vermischt mit Scham.
Und dann wurde ihr bewusst, dass sie
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