Das Geheimnis meiner Mutter
Gebäck auf einer Serviette hinhielt. Von dem frischen, leicht süßen Geruch wurde ihr ein wenig flau im Magen. „Oh, nett“, sagte sie. „Aber ich hab schon gefrühstückt.“
„Danke!“ Sonnet griff über Daisy hinweg und schnappte sich das Gebäck aus Zachs Hand.
„Grunz, grunz“, sagte der nur.
„Oh, es spricht.“ Sonnet knabberte an dem Gebäckstück. „Vielleicht kann es auch noch andere Tricks.“
„Ich arbeite gerade daran, dich verschwinden zu lassen“, gab Zach zurück.
Daisy fühlte sich wie die Zuschauerin in einem Tischtennismatch, als die Beleidigungen ihr nur so um die Ohren flogen. Sie räusperte sich.
„Ich arbeite in der Sky River Bakery“, sagte Zach im Plauderton. „In der Frühschicht. Wenn du also auf frisches Gebäck am Morgen stehst, bin ich dein Mann.“
„Na ja, jeder muss ja zu irgendwas gut sein“, sagte Sonnet mit einem mitleidigen Blick in seine Richtung.
„Ja“, erwiderte er. „Ich bin gut darin, sie zu machen, und Sonnet ist Spitze darin, sie zu essen, wie man anhand der Größe ihres Hinterns sehen kann.“
„Okay“, sagte Daisy, die mit einem Mal verstand, warum der Lehrer sie zwischen diese beiden gesetzt hatte. „Bringen wir ihn jetzt gleich um oder warten wir, bis es zur Pause klingelt?“
Sonnet zuckte die Schultern. „Je eher, desto besser, wenn du mich fragst.“
Zach streckte sich und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. „Du brauchst mich, und das weißt du. Du würdest unter Entzugserscheinungen leiden, wenn ich dir nicht jeden Tag eine Kolache mitbringen würde. Habt ihr übrigens schon von dem Feuer gehört?“, wechselte er mitten im Satz das Thema. „Jennys Haus ist komplett niedergebrannt.“
„Blödsinn“, sagte Sonnet.
„Nein, es stimmt.“ Er hob eine Hand mit der Handfläche nach vorne. „Ich schwöre bei Gott, dass ich mir das nicht ausdenke. Es steht bestimmt auch in der Zeitung.“
Daisy hörte interessiert zu. Sie hatte eine ziemlich verrückte familiäre Verbindung zu der Bäckerei. Sie gehörte Jenny Majesky – was vermutlich die Jenny war, von der Zach gesprochen hatte. Jenny war die Tochter von Daisys Onkel Phil. Also waren sie Cousinen, auch wenn sie sich kaum kannten.
„Geht es Jenny gut?“, fragte Sonnet.
„Ja. Ich bin überrascht, dass sie nicht bei deiner Mom ist.“
„Jenny und meine Mom sind beste Freundinnen“, erklärte Sonnet Daisy. „Aber meine Mom ist auf einer Bürgermeistertagung außerhalb. Sie kommt erst heute im Laufe des Vormittags zurück.“
„Oh“, sagte Daisy. „Arbeitet sie für den Bürgermeister?“
Sonnet nahm noch einen Bissen von der Kolache. „Sie ist der Bürgermeister.“
„Wow, das ist cool“, sagte Daisy.
„Aber nicht mehr lange“, warf Zach ein. „Mein Dad wird bei der nächsten Wahl gegen sie antreten.“
„Ja, viel Glück dabei“, gab Sonnet selbstbewusst zurück.
„Er ist der Vorsitzende der Stadtverwaltung und hat der Stadt ein Vermögen gespart. So was mögen die Leute.“
„Ja, sie lieben es, wenn er die Budgets kürzt, wie zum Beispiel für das öffentliche Schwimmbad. Was schließt er als Nächstes, die Bibliothek?“ Sie steckte sich den letzten Bissen Kolache in den Mund und wischte sich die Finger an der Serviette ab.
Eine Ankündigung über den Lautsprecher übertönte die Unterhaltung. Der Debattierclub traf sich nach der Schule. Außerdem standen das Eishockeytraining und die Zuckerweg-Party des 4-H-Clubs an, was erst mal ganz gesund klang, bis Sonnet Daisy erklärte, dass die Mitglieder des Clubs in den Wald gingen, dort Ahornsaft zu Sirup verkochten und dabei high wurden. Zu Daisys Erstaunen standen dann alle auf, drehten sich zu der in der Ecke des Raumes hängenden Flagge um und sagten gemeinsam den Treueeid auf. Die Worte kamen aus einem tief verborgenen Winkel ihres Inneren, den sie schon längst vergessen hatte.
„Lass uns mal einen Blick auf deinen Stundenplan werfen“, sagte Zach danach.
Daisy legte ihn auf das Tischchen, und alle drei schauten ihn an.
„Wow“, sagte Zach. „Infinitesimalrechnung und Physik? Dazu Englisch als AP-Kurs? Sag mal, stehst du auf Erniedrigungen oder was?“
„Ich hatte keine Wahl“, erklärte Daisy. „In meiner alten Schule in New York musste ich fünf AP-Kurse belegen, um Punkte fürs College zu sammeln.“ Sie rutschte unbehaglich auf ihrem Stuhl herum. „Es war eine echt schwere Schule.“
„Und mitten im letzten Jahr zwingen sie dich, in die Provinz zu ziehen. Das ist hart“,
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