Das Geheimnis unserer Herzen: Roman (German Edition)
wissenschaftlichen Fakten gründete, waren die Gedankengänge und Schlussfolgerungen rein logischer Natur.
Sie vergaß zu atmen, als ihre Faszination für diese Untersuchung mit jeder Seite wuchs. Nach Ansicht dieses Forschers war der von König Edward I. gestohlene und in Westminster Abbey untergebrachte Stein der Vorsehung nicht echt. Also ging es darum bei der Fälschung, über die die Männer gesprochen hatten. Offenbar hatten die Schotten gewusst, dass die Engländer kamen, und Maßnahmen ergriffen, um den echten Stein gut zu verstecken. Nur wusste heute niemand mehr, wo er verborgen worden war.
Vanessa befasste sich nicht viel mit erzählender Literatur, aber sie musste zugeben, dass sie sich hin und wieder auch schon mal in einen guten Abenteuerroman hatte hineinziehen lassen. Diese Aufzeichnungen boten auf jeden Fall die Voraussetzungen zu einem großartigen Abenteuer. Und die Person, aus dessen Feder sie stammten, aus Graemes vielleicht, hatte fast elf Jahre gesucht. Wer auch immer diese Person war, sie könnte sie in die Höhlen begleiten und sie führen, damit sie vielleicht die Stelle fand, an der Mr. McElroy gearbeitet hatte.
Sie war heute Abend kurz davor gewesen, missbraucht zu werden, um dann fast mit einem Schotten verheiratet zu werden, der ein ziemlich geheimnisvolles Leben zu führen schien. Verlorene Schätze, legendäre Suchen und Karten von Höhlen – es schien fast so, als wäre sie zufällig auf einen Mann gestoßen, der ihr eine unschätzbare Hilfe bei ihrer eigenen Suche sein könnte. Und sie hatte die Absicht, diesen Umstand in vollstem Umfang auszunutzen.
Kapitel vier
M üde erwachte Vanessa am nächsten Morgen und zog sich an. Sie war in der Nacht zuvor zu lange aufgeblieben, um zu lesen. Als sie sich in ihrem Zimmer umschaute, sah sie, dass ihr Kleid über einem Stuhl in der Ecke hing, ihr Reisekoffer aber verschwunden zu sein schien. Vielleicht hatte jemand ihn in einen anderen Raum gebracht.
Sie verließ ihr Zimmer und schlug den gleichen Weg ein, den sie in der Nacht zuvor gegangen war. Es dauerte nicht lange, bis sie die Küche fand und dort zwei Frauen antraf, von denen die eine vor dem Backofen stand und die andere vor einem Schrank, in dem sie irgendetwas suchte.
»Verzeihen Sie die Störung«, sagte Vanessa, als sie einen Schritt weit in den Raum hineintrat.
»Herrjemine!«, sagte die Frau am Ofen, als sie erschrocken hochfuhr, und drückte eine Hand auf ihr Herz, als sie sich Vanessa zuwandte. »Haben Sie mich erschreckt!«
»Wer ist das?«, fragte die Ältere, deren Stimme auch viel älter klang. Sie stand noch immer vor dem Schrank, aber sie wandte sich zumindest mit dem Oberkörper in Vanessas Richtung. Sie hatte sonnengegerbte Haut und weißes, zu einem dicken Zopf geflochtenes Haar. Ihr warmes Lächeln, das ihre Grübchen zum Vorschein brachte, kaschierte die Falten in ihrem Gesicht. Ihre Augen waren milchig-trüb, als hätte sie Sahne darin verschüttet.
»Entschuldigen Sie«, sagte Vanessa. »Anscheinend hat Graeme Ihnen nichts davon gesagt, dass er mir seine Gastfreundschaft angeboten hat. Er hat mich gestern Abend im Pub gerettet. Ich war ganz unversehens in Schwierigkeiten mit einigen der einheimischen Männer geraten, und sie wollten mich nicht gehen lassen.«
Einen dampfend heißen Laib Brot in der Hand, trat die jüngere Frau von dem Ofen zurück. Ihr Haar war eine dichte Mähne aus leuchtend roten Locken, die sie mit einem Tuch zurückgebunden hatte. Dieses Haar, die strahlend blauen Augen und rosigen Wangen vereinten sich zu einem Bild natürlicher Schönheit. Der Hefegeruch des frischgebackenen Brots breitete sich in der ganzen Küche aus, und Vanessas Magen reagierte sofort mit einem lauten Knurren. Schnell drückte sie eine Hand an ihren Bauch, um das Geräusch zu unterbinden.
»Die Männer hier können unmöglich sein«, bemerkte die jüngere Frau mit einem Lächeln. »Und mein Sohn hat mir gestern Nacht bereits gesagt, dass Sie hier sind. Was für ein Glück, dass er Ihnen beistehen konnte, meine Liebe.« Diese zierliche Frau mit ihrer Wolke kupferfarbenen Haars und dem heiteren Wesen war Graemes Mutter? Sowohl vom Aussehen wie vom Temperament her schienen sie sich so gar nicht ähnlich. Ganz zu schweigen davon, dass ihr schottischer Akzent viel ausgeprägter war als Graemes. Vanessa musste sich konzentrieren, um alles, was sie sagte, zu verstehen.
Graemes Mutter zog einen Stuhl unter dem kleinen Tisch heraus. »Bitte nehmen Sie doch Platz. Das
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