Das Geheimnis von Digmore Park
waren auf dem Weg ins Ausland. Obwohl er dies nie zugeben würde und sicherlich stolz auf meine militärische Laufbahn war, so war er doch stets in Sorge, ich könnte eines Tages nicht mehr zurückkehren, Bishop.“
Diese Sorge konnte der Pfarrer verstehen. Zu viele Söhne waren mit hehren Idealen in die Schlacht gezogen und hatten in der Ferne ihr Leben gelassen.
„Vater teilt meine geringe Freude, Cousin Edward eines Tages als Erben von Digmore Park zu sehen. Wir können diesen anmaßenden und zugleich oft so dummen Mann beide nicht ausstehen. Ich weiß nicht, ob du den alten Lord Bakerfield, meinen Onkel, je kennengelernt hast, Simon. Ein höchst unangenehmer Mann, der äußerst grob werden konnte, wenn er zu tief ins Glas geschaut hatte. Und er schaute sehr oft sehr tief ins Glas. Tante Barbara hat arg unter ihm gelitten. Und darum war ich doppelt froh, dass sie nun erlöst und glücklich sein würde.“
Der Geistliche merkte auf. „Erlöst? Was meinst du mit ‚erlöst’? Meinst du, sie hat selbst Hand an sich gelegt, um den Fesseln einer glücklosen Ehe zu entrinnen? Ist es das, was du sagen willst? Meinst du, der Tod bedeute mehr Glück als die Hölle einer Ehe?“
Dewary war sichtlich verwirrt. „Wovon sprichst du denn, um Himmels willen? Ich habe doch mit keinem Wort angedeutet, dass meine Tante Selbstmord begangen hat! Wie kannst du so etwas Ungeheuerliches behaupten?“
„Mir geht es allein darum, endlich etwas Klarheit in diese verworrene Angelegenheit zu bringen. Aber ich habe dich unterbrochen, von welcher Erlösung und welchem Glück deiner Tante war denn dann die Rede?“
Dewary blieb lange stumm, um dann den Kopf zu schütteln. „Ich kann es dir nicht sagen. Ich habe mein Wort gegeben.“
Fast hätte Simon Bishop seinen Freund an den Schultern gepackt, um ihn ausgiebig zu schütteln. „Du sagst mir jetzt sofort, was du mit Glück und Erlösung gemeint hast, oder ich verlasse auf der Stelle Portland Manor und überlasse dich völlig ungerührt deinem Schicksal.“
Dewary stieß unwillig die Luft aus. „Ich habe mein Wort gegeben, Simon, du weißt, was das heißt, also dring nicht weiter in mich, von mir wirst du nichts erfahren.“
Der Geistliche erhob sich, griff nach seinem Umhang, den er fein säuberlich neben sich auf die Bank gelegt hatte, und deutete mit der rechten Hand einen Gruß an. „Ich wünsche dir alles Glück dieser Erde, Dewary.“
Dann verließ er festen Schrittes die Gartenlaube. Soll er doch gehen!, war Major Dewarys erster Gedanke. Wenn er jetzt geht, dann erfahre ich wieder nicht, was genau man mir vorwirft, sein zweiter. Also sprang er auf und bekam den Pfarrer gerade noch an seinem Rockzipfel zu fassen, bevor er den Küchengarten verlassen hätte. „Ich bitte dich, komm zurück. Ich sage dir alles, was ich weiß, doch ich muss dich bitten, Stillschweigen zu wahren. Es ist nicht meine Art, einen Schwur zu brechen, doch in diesem Fall hast du die besseren Karten.“
So kehrten sie in die Laube zurück. Dewary wartete, bis auch sein Freund wieder Platz genommen hatte, und forderte dann in versöhnlichem Tonfall: „Also, Hand darauf, dass ich auf deine Verschwiegenheit zählen kann.“
Der Pfarrer zögerte nicht, seine Hand zu ergreifen.
„Tante Barbara hatte keinen Grund, aus einer unglücklichen Ehe fliehen zu wollen. Mein Onkel Edward ist seit Jahren tot!“
„Ja, aber das hättest du mir doch einfach sagen können! Das ist doch sicher kein Geheimnis …“ Der Geistliche verstummte. „Augenblick mal, da stimmt etwas nicht! Du hast eben erwähnt, du würdest ihrem Ehemann einen Mord nicht zutrauen! Ihrem Ehemann ! Aber dein Onkel ist tot. Wie hast du das also gemeint?“
„Du hast wahrlich gut aufgepasst, alle Achtung!“, sagte Dewary anerkennend. „Zurück zur Hochzeit meiner Schwester Irene. In einer ruhigen Minute nach dem Bankett, und jetzt wirst du verstehen, warum ich dich um Stillschweigen gebeten habe, hat mir Tante Barbara anvertraut, dass sie sich in Papas Kammerdiener Mr. Jennings verliebt hat.“
Mr. Bishop atmete hörbar ein. Mit einer solch ungewöhnlichen Nachricht hatte er nicht gerechnet. „In einen Diener?“, stammelte er.
„Mr. Jennings ist viel mehr als ein Diener! Er war seit mehr als dreißig Jahren meinem Vater fast so etwas wie ein treuer Freund.“
Dewary beschloss, über den skeptischen Blick seines Freundes hinwegzusehen. Sollte der sich doch im Standesdünkel suhlen, wenn er wollte.
„Ich kenne Mr. Jennings schon
Weitere Kostenlose Bücher