Das Geheimnis von Digmore Park
Edward selbst.“
„Oh, mein Gott, das hätte ich nicht einmal ihm gewünscht!“
Bishop nickte. „Er hat nach seiner Mutter gesucht, als man entdeckte, dass sie nicht auf ihrem Zimmer war. Wohnt dein Cousin eigentlich auch auf Digmore Park?“
Dewary schüttelte sich bei diesem Gedanken. „Zum Glück nicht! Er lebt die meiste Zeit in London, besitzt aber auch ein kleines Anwesen nahe Hastings, für das er wenig Interesse aufbringt. Edward gehörte natürlich zu Irenes Hochzeitsgesellschaft, er reiste am Tag der Trauung an und ist anscheinend nicht mit den anderen Gästen aufgebrochen.“
„Wie auch immer. Als das Verschwinden deiner Tante bemerkt wurde, gab dein Vater der gesamten Dienerschaft den Befehl auszuschwärmen, um nach ihr zu suchen. Auch Edward machte sich mit auf den Weg. Zuerst suchten alle vergeblich.“
„Was kein Wunder war“, warf Dewary ein, „schließlich war Tante Barbara längst auf dem Weg in den Norden. Doch sie müssten den Brief in ihrem Zimmer gefunden haben, in dem sie alles erklärte.“
„Solch ein Schreiben gibt es allem Anschein nach nicht“, meinte der Pfarrer düster. „Es verstrichen Tage ohne jedes Lebenszeichen von Lady Barbara. Aber dann, etwa zwei Wochen nach ihrem Verschwinden, gab der kleine Waldsee ihre Leiche frei.“
„Und Edward fand auch ihren Umhang und das Retikül?“
„Nein, das war einer der Diener, und wohl wiederum erst einige Tage später. Wie mir Mr. Nolens mitteilte, stand man vorerst vor einem Rätsel. Es gingen weitere Tage ins Land, bis man schließlich die Lösung auf alle Fragen gefunden hat, wie man zumindest glaubt.“
Mr. Bishop seufzte und räusperte sich, wie er es immer tat, wenn er nervös war und unangenehme Nachrichten zu verkünden hatte.
„Und die wäre?“, erkundigte sich Dewary atemlos.
„Diese Lösung wird dir nicht gefallen, mein Freund. Als man noch einmal in Begleitung des Friedensrichters das Ufer des kleinen Waldsees absuchte, da fand man einen deutlichen Hinweis auf den Täter.“
Der Geistliche räusperte sich wieder.
„Nun sag schon, was hat man gefunden?“ Es hätte nicht viel gefehlt, und der Major hätte seinen Freund angeschrien.
Beschwichtigend hob der Pfarrer die rechte Hand. „Du musst jetzt die Nerven bewahren, Dewary.“
„Ich bin die Ruhe selbst!“, brachte Dewary mühsam, zwischen zusammengebissenen Zähnen, hervor.
„Man fand am Ufer des Sees nichts anderes als … deinen Siegelring!“
„Meinen Siegelring? Das kann nicht sein! Mein Siegelring befindet sich doch gar nicht auf Digmore Park!“
Der Geistliche atmete auf. „Du trägst ihn also bei dir? Welch gute Neuigkeit! Gib mir den Ring und ich fahre sofort zu Lord Streighton, dem Friedensrichter. Mit dem Schmuckstück kannst du deine Unschuld beweisen, Dewary!“
„Nein, ich habe den Ring nicht bei mir“, gab der Major unwillig zu. „Auf dem Schlachtfeld ist er mir nur im Wege. Ich kann die Zügel meines Pferdes besser halten, wenn meine Hand ungeschmückt ist.“
„Wo ist der Ring dann?“
„In Worthing. Ich gab ihn Vivian, als Zeichen meiner Liebe.“
„Vivian?“
„Meiner Verlobten! Sie wollte ihn immer an ihrem Herzen tragen, bis ich heil und gesund aus Spanien zurückkehren würde.“
Der Pfarrer runzelte die Stirn und sagte schließlich nachdenklich: „Deine Verlobte war sicher ebenfalls zu Gast bei der Hochzeit. Hältst du es für möglich, dass sie den Ring bei einem Spaziergang verloren hat? Das würde ich aber eine besonders unglückselige Verkettung von Umständen nennen!“
Dewary schüttelte den Kopf. „Nein, ich habe Vivian bei meinem Heimataufenthalt im April nicht gesehen. Ich hielt es für selbstsüchtig, ihr die weite Reise zuzumuten, nur um wenige Tage in ihrer Gesellschaft zu verbringen. Außerdem ist ihre Mutter krank, und da ist es ihre Pflicht, an deren Krankenbett zu wachen.“
„Wie betrüblich!“
Dewary überhörte geflissentlich den kaum verhohlenen Spott.
„Richtig erkannt, es war tatsächlich betrüblich. Ich liebe dieses Mädchen, Bishop, und habe sie gebeten, auf mich zu warten, obwohl ich vorhatte, noch mindestens zwei Jahre meiner Armee zu dienen.“
Der Geistliche stand nicht an, sich zu entschuldigen: „Verzeih. Es ist ungerecht, meine Abneigung gegen ihren Vater auf die Tochter zu übertragen. Dazu die Abneigung gegen ihre ältere Schwester, gegen ihren einzigen Bruder …“
„Bishop! Du tust ihr unrecht! Vivian ist anders!“
Der Geistliche deutete eine Verbeugung an.
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