Das Geheimnis von Ella und Micha: Ella und Micha 1 - Roman (German Edition)
wollen, solange ihre Eltern besoffen sind und keine Gelegenheit auslassen, sich zu streiten.«
Sie lacht, trinkt einen Schluck und verzieht das Gesicht, weil es so bitter ist. »Probier mal …«, beginnt sie und hustet, wobei sie sich mit der flachen Hand auf die Brust klopft.
»Alles klar?«, frage ich. Lila verträgt nicht viel.
Sie nickt und räuspert sich. »Ich wollte sagen, probier mal in einer Familie aufzuwachsen, wo du sogar fragen musst, ob du bestimmte Schuhe anziehen darfst.« Als ich sie verständnislos ansehe, erklärt sie: »Was gegen das Stilempfinden meiner Mutter ging, durfte ich nicht anziehen.«
Ich weiche einem Jungen mit fleckiger Haut und einer Beanie-Mütze auf dem Kopf aus, den es offensichtlich nicht stört, dass er mit seiner Schulter gegen meine knallt. »Sicher war es gar nicht so übel, da großzuwerden. Ich meine, wenigstens gab es so etwas wie Kontrolle.«
»O ja, die gab es«, sagt sie verlegen und sieht sich wieder im Zimmer um. »Ich fasse nicht, dass die Livemusik haben. Das ist wie bei einem Open-Air-Konzert.«
»Was? Gibt es in Kalifornien keine Livebands?«, scherze ich mit einem kleinen Lächeln und schenke mir einen Becher Wasser ein. »Welche, die draußen spielen?«
Sie rührt ihren Drink mit einem Strohhalm um. »Solche Bands nicht. Die sind viel zahmer, spielen auf einer Bühne, und davor sitzen alle auf Stühlen.«
»Klingt doch ganz nett.« Wieder lächele ich und sehe auf meine Uhr. »Wollen wir dann wieder gehen?«
»Ist das dein Ernst?« Sie trinkt durch den Strohhalm und hockt sich im Schneidersitz auf die Küchenarbeitsfläche. »Wir sind doch gerade erst gekommen. Warum sollen wir jetzt schon gehen? Nein, ich finde, dass wir tanzen sollten.«
Ich sehe zum Wohnzimmer, wo ein Typ mit Dreadlocks seinen Kopf gegen den Vitrinenschrank in der Ecke schlägt, und alle johlen.
»Meinetwegen tanz du, aber ich lasse es.« Ich nehme einen Schluck von meinem Wasser. »Ich mag meine Knochen lieber ganz.«
An die Küchenschränke gelehnt, schaue ich mich in der Menge um, weil ich Micha bisher nicht gesehen habe. Ich weiß nicht, wieso es mich überhaupt interessiert, wo er ist, aber das tut es. Manchmal flieht er von seinen eigenen Partys, entweder um sich mit anderen zu treffen oder einfach irgendwo seine Ruhe zu haben. Früher fand ich ihn ein paarmal im Garten, wo er weit hinten auf einem Gartenstuhl saß. Und jedes Mal zog er mich auf seinen Schoß. Dann sahen wir nach oben in den Nachthimmel und redeten über eine unerreichbare Zukunft.
Ich entdecke ihn in einer Ecke auf einer Couch. Er hat seinen Arm um eine Blonde gelegt, der die Brüste oben aus dem Kleid quellen. Sein Pony hängt ihm in die Augen, und er knabbert an seinem Lippenring. Sicherlich macht er das Mädchen damit wahnsinnig. Sie reden nur, doch das Mädchen wirft sich immer wieder das Haar über die Schulter und presst ihm eine Hand auf die Brust. Es ist schwer zu sagen, ob Micha ihre Nähe gefällt oder nicht. Er war noch nie leicht zu durchschauen, wenn es um Mädchen ging, denn eigentlich machte er nie den Eindruck, irgendeines besonders zu mögen, auch wenn er hin und wieder mit einem von ihnen im Bett landete.
Einmal habe ich ihn darauf angesprochen, und er sagte, es wäre alles ganz spaßig, aber er würde nur die Zeit totschlagen, bis ich meinem inneren Wunsch nachgab und mit ihm zusammenkam. Daraufhin rang ich ihn zu Boden, und er lachte.
»Was schaust du so? Wen ziehst du denn mit deinen Blicken aus?«, fragt Lila und sieht in die Richtung. »Ah, ist das …«
Ich wende rasch den Blick ab. »Ich habe niemand Bestimmtes angesehen, nur den Irrsinn im Wohnzimmer.«
»Ja, klar«, sagt sie und zieht die Brauen hoch. »Du stehst total auf ihn. Das sehe ich dir an.«
»Oh verdammt, ich glaub’s nicht! Wenn das nicht die berüchtigte Ella May ist!« Ethan Gregory grinst mich von der anderen Tresenseite an. Er steht gleich hinter Lila. Nun stolpert er um den Tresen herum und stößt sich fast den Kopf an der niedrigen Decke. Bevor ich reagieren kann, hat er mich mit seinen langen, vollständig tätowierten Armen umschlungen. Sein graues Hemd stinkt wie ein Aschenbecher, sein Atem nach Bier. Er weicht zurück und fährt sich mit den Fingern durch sein schwarzes Haar. »Weiß Micha, dass du hier bist?«
Ich lüge dreist, während ich mir sehr bewusst bin, wo Micha ist und was er gerade tut. »Er hat sicher gesehen, wie ich gekommen bin.«
»Das glaube ich nicht. Er sucht seit acht Monaten
Weitere Kostenlose Bücher