Das Geheimnis von Ella und Micha: Ella und Micha 1 - Roman (German Edition)
sich sicher nichts geändert haben.«
Lila nickt, und ich gehe nach unten ins Bad, um mich umzuziehen. Das obere Bad meide ich. Ich drehe die Dusche auf, damit der Spiegel beschlägt. Dann bürste ich mein Haar, bis es sich an den Spitzen von allein nach oben biegt. Anschließend lege ich hellen Lipgloss auf und gehe raus. An der Treppe laufe ich meinem Vater über den Weg.
»Wann bist du angekommen?« Sein Atem stinkt nach Gin, und seine Augen sind rot. In den letzten acht Monaten sind seine Wangen eingefallen, und seine Haut sieht wie Leder mit wunden Stellen aus. Er ist Ende vierzig, sieht aber zehn Jahre älter aus.
»Gestern Abend«, sage ich, nehme seinen Arm und helfe ihm die Treppe hinauf. »Ich war schon im Bett, als du nach Hause kamst.«
Er tätschelt meinen Rücken. »Na, ich freue mich, dich zu Hause zu haben.«
»Und ich freue mich, zu Hause zu sein«, lüge ich lächelnd, als wir oben sind.
Er zieht seinen Arm von meiner Hand weg und reibt sich den Nacken. »Brauchst du irgendwas? Hilfe mit dem Gepäck oder so?«
»Das schaffe ich auch allein, aber danke«, antworte ich und strecke den Arm aus, als er in Richtung Treppe wankt.
Er nickt, und sein Blick driftet zum Badezimmer am Flurende. Wahrscheinlich denkt er daran, wie ähnlich ich ihr sehe. Es schmerzt ihn, mich anzusehen, oder zumindest sagte er das in der Nacht, als ich auf die Brücke ging.
»Na, ich denke mal, wir reden später noch. Wollen wir was essen gehen?« Er lässt mir keine Zeit zu antworten, sondern läuft im Zickzack zu seinem Zimmer und knallt die Tür hinter sich zu.
Mein Dad fing an zu trinken, als ich ungefähr sechs war, wenige Monate bevor bei meiner Mom eine bipolare Störung diagnostiziert wurde. Sein Trinken war damals noch nicht so schlimm: Er verbrachte einige Abende und auch einige Wochenenden in der Kneipe; aber nachdem meine Mom starb, übernahmen Bier, Gin und Wodka unser beider Leben.
Als ich in mein Zimmer zurückkomme, hat Lila ein gelbes Sommerkleid an und ihr blondes Haar zu Locken gedreht. Eine übertrieben große Sonnenbrille verbirgt ihre Augen.
»Ich fühle mich beschissen«, sagt sie, die Hände in die Hüften gestemmt.
»Das geht den meisten Leuten so, wenn sie hier sind.« Ich greife nach meinem Handy und sehe auf das blinkende Mailboxsymbol, während ich in meine Flipflops schlüpfe.
Wir gehen raus, lassen die verrauchte Luft hinter uns und treten in strahlenden Sonnenschein, umgeben vom Geruch heruntergekommener Häuser und Wohnungen. Man hört Motorräder, deren Maschinen dröhnend wummern, und weiter weg ein Paar streiten. Micha ist nirgends zu sehen.
Vor langer Zeit fühlte sich das hier wie Zuhause an, als es noch normal war, durch die Straßen zu rasen und zu laufen. Jetzt fühle ich mich verloren.
Lila fängt an, auf ihren Fingernägeln zu kauen, während sie entgeistert ihren Wagen betrachtet. »Aus der Nähe sieht es übler aus.«
Ich verschränke die Arme und gehe um ihr Auto herum, um den Schaden einzuschätzen. Er sieht wie eine Obstschale aus, nur mit Zweideutigkeiten und blumigen Ausdrücken anstelle von Obst. Beinahe ist mir zum Lachen – warum auch immer. »Die hatten es echt auf dich abgesehen.«
Sie schüttelt den Kopf. »Das ist nicht witzig. Hast du eine Ahnung, wie viel mich der Mist kostet?«
Lilas Dad ist ein reicher Anwalt in Kalifornien, und ihre Eltern schicken ihr dauernd Sachen wie Kleidung, Geld, Autos. Sie hat in ihrem ganzen Leben noch keinen einzigen Tag gearbeitet und mich mächtig wegen meines Jobs bei Applebee’s genervt, weil sie immerzu wollte, dass ich mir freinehme, um mit ihr auf Partys zu gehen.
»Was machen wir jetzt?« Sie kratzt mit ihrem Fingernagel an der grünen Farbe auf ihrem Scheinwerfer.
Ich zeige die Straße hinauf. »Nicht weit von hier gibt es eine Autolackiererei.«
Sie sieht in die Richtung. Die Straße ist voller Schlaglöcher und von verdreckten Abflussrinnen gesäumt. »Aber das ist ein Mercedes!«
»Bestimmt ist die Marke egal, wenn es ums Lackieren geht.«
»Und wenn sie damit irgendwelchen Mist bauen?«
»Wie ihn wieder besprayen, nachdem sie ihn lackiert haben?«, frage ich sarkastisch, worauf sie die Stirn runzelt. »Entschuldige. Wir finden jemanden, okay? Wir können den Wagen nach Alpine bringen. Da drüben ist es ein bisschen netter als hier.«
»Ich kann doch nicht mit dem Wagen fahren«, jammert sie und geht auf ihr Auto zu. »Das sieht fies aus.«
»Dann fahre ich eben.« Ich strecke die Hand aus, damit sie
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