Das Geheimnis von Ella und Micha: Ella und Micha 1 - Roman (German Edition)
ersten Eindruck zu machen.«
»Deshalb das billige Kleid.« Ich hole eine Handvoll Cornflakes aus dem Karton und stopfe sie mir in den Mund. »Ich hatte mich schon gewundert.«
»Ich sah gar nicht so schlimm aus«, sagt sie verärgert und nimmt sich ihre Schlüssel vom Wandhaken. »Oder?«
Ich hasse solche Fragen, auf die es keine richtige Antwort gibt. Also zucke ich nur mit der Schulter und stelle die Cornflakespackung zurück in den Schrank.
Sie nimmt sich einen Müsliriegel aus demselben Schrank. »Sehe ich es richtig, dass Ella jetzt endgültig zurück ist?«
Ich kaue langsam auf den Cornflakes. »Ja, bis der Sommer vorbei ist.«
Sie wartet, ob ich mehr sage. »Willst du mir verraten, wo sie die letzten acht oder neun Monate war?«
»College«, sage ich. »In Vegas.«
»Wow, die Antwort überrascht mich jetzt wirklich.« Sie zieht das Folienpapier von dem Müsliriegel ab. »Gut für sie.«
Ich runzele die Stirn. »Wieso? Sie ist vor allen weggerannt.«
»Ich behaupte ja nicht, dass es gut ist, wie sie es gemacht hat. Trotzdem ist es richtig, dass sie etwas mit ihrem Leben anfängt.«
»Ich habe dir doch gesagt, dass ich Pläne habe. Ich muss bloß überlegen, wie ich die am besten auf den Weg bringe.«
Sie seufzt und tätschelt mir den Kopf, als wäre ich ein Kind. »Ich mache mir Sorgen, dass du zu viel Zeit damit verschwendest, ihr nachzujagen. Vielleicht musst du einsehen, dass sie nicht gefangen werden will, Liebling. Glaub mir, das habe ich bei deinem Dad auf die harte Tour gelernt.« Sie hängt sich ihre Tasche über die Schulter und trommelt mit den Fingernägeln auf dem Tresen. »Micha, hast du über das nachgedacht, was ich dir neulich abends gesagt habe?«
»Du meinst das mit der SMS , die du mir geschickt hast?«
Wieder seufzt sie, diesmal unglücklich. »Es tut mir leid, dass ich es dir auf die Art gesagt habe. Es lag mir schon eine ganze Weile auf der Seele, und ich wusste nicht, was ich tun soll. Ich war in Panik.« Sie senkt den Blick. »Ich bin eine schreckliche Mutter, oder?«
Kopfschüttelnd nehme ich sie in den Arm, weil ich merke, dass sie das jetzt braucht. »Dass du eine schreckliche Art hast, Nachrichten zu überbringen, macht dich nicht zu einer schrecklichen Mutter. Schließlich hatte ich immer ein Dach über dem Kopf und etwas zu essen.«
Sie erwidert meine Umarmung. »Ja, aber manchmal fühlt es sich an, als hätte ich mehr Zeit mit dir verbringen müssen. Ich meine, jede andere Mutter auf der Welt kümmert sich besser um ihr Kind als ich.«
Unwillkürlich sehe ich über ihren Kopf hinweg zu Ellas verfallenem, heruntergekommenem Haus. »Nicht jede Mutter. Einige können es gar nicht.«
Meine Mom tritt zur Seite und wischt sich die Augen. »Rufst du ihn an?«
Die Telefonnummer meines Vaters hängt an der Wand neben dem Telefon. »Weiß ich noch nicht.«
Sie tupft mit den Fingern unter ihren Augen, um das Make-up zu reparieren. »Du musst es auch mal aus seiner Warte sehen. Mir ist klar, dass er über Jahre keine Rolle in deinem Leben gespielt hat, aber am Telefon hörte er sich an, als wollte er dich wirklich gerne sehen.«
Ich ringe mir ein Lächeln ab. »Ja, gut, ich denke darüber nach.«
Mein Vater verschwand, als ich sechs Jahre alt war, und seitdem haben wir nichts von ihm gehört. Meine Mom hatte sich gleich auf die Suche nach ihm gemacht und sagte hinterher, sie hätte ihn nicht finden können. Ich habe mich immer gefragt, ob sie ihn vielleicht doch gefunden hatte, mir aber nicht die Wahrheit sagen wollte.
Meine Mom verlässt das Haus, und ich setze mich auf die Couch, die Füße auf dem Tisch, und warte, dass Ethan kommt. Während ich durch die Fernsehkanäle zappe, klingelt das Telefon.
»Hallo?«
»Ähm … spreche ich mit Micha?«, fragt eine Stimme.
»Ja … warum? Wer ist da?«
Eine lange Pause tritt ein, und ich tippe, dass es ein Bekloppter ist.
»Sind Sie noch da?«, frage ich genervt.
»Ja.« Er räuspert sich. »Hier ist dein Vater.«
Fast lasse ich das verdammte Telefon fallen.
»Micha, das bist du doch, oder?« Er klingt alt und förmlich, und das macht mich wahnsinnig wütend.
»Ja, bin ich.«
»Ich weiß, dass deine Mutter dich bitten wollte, mich anzurufen, aber es gibt etwas, über das ich dringend mit dir reden muss«, sagt er. »Und das kann nicht warten.«
Ich überlege. »Ich warte seit beinahe vierzehn Jahren darauf, dass du mit mir sprichst. Ich denke, jetzt kannst du auch noch ein bisschen warten.« Dann knalle ich den
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