Das Geheimnis von Ella und Micha: Ella und Micha 1 - Roman (German Edition)
Hörer auf und ramme die Faust gegen die Wand.
Die Rigipsplatte bröckelt, und das Schlüsselbrett fällt krachend herunter.
»Scheiße!« Ich sacke auf den Boden. Hoffentlich kommt jetzt keiner rein und sieht mich zusammenbrechen.
Vor allem nicht Ella.
Kapitel 10
ELLA
An das erste Mal, als ich Micha küssen wollte, erinnere ich mich noch genauso deutlich wie an den Tag, als ich meine tote Mutter fand. Beides war gleich beängstigend, wenn auch auf unterschiedliche Art.
Micha und ich saßen auf der Kühlerhaube seines Wagens an unserer geheimen Stelle zwischen den Bäumen und blickten auf den See. Es war eine höllische Fahrerei, an diese Stelle zu gelangen, aber die Aussicht und die Stille waren es wert.
Eine Weile lang hatte keiner von uns etwas gesagt, was normal war, nur dass ich diesmal schwieg, weil ich eifersüchtig auf Michas Neue war, Cassandra. Das war mir noch nie passiert, und es verwirrte mich. Nicht dass Cassandra für Micha etwas Besonderes war, aber er hatte Ethan erzählt, dass sie das Zeug für eine feste Freundin hatte, was mich schrecklich ärgerte.
Micha hatte sich zurückgelehnt, seinen Kopf auf die verschränkten Arme gestützt und die Augen gegen die blendende Sonne geschlossen. Sein T-Shirt war hochgerutscht, sodass ich sein Tattoo sehen konnte. Mich überkam ein solch starker Wunsch, es mit den Fingern nachzumalen, dass es mich ganz irre machte.
»Ich mag Cassandra nicht«, platzte ich unvermittelt heraus und setzte mich rasch auf.
Michas Brauen zogen sich zusammen, als er die Augen einen Spalt weit öffnete. »Was?«
»Diese Cassandra, von der du neulich geredet hast«, erklärte ich und sah starr auf das Wasser, dessen Oberfläche sich im leichten Wind kräuselte. »Ich finde nicht, dass du dich mit ihr treffen solltest.«
Er stützte sich auf die Ellbogen auf. »Weil du sie nicht magst?«
»Nein …« Ich strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Ich will eben nicht, dass du dich mit ihr triffst.«
Der Wind füllte die Stille. Micha setzte sich auf und legte einen Arm um mich.
»Okay, mache ich nicht«, sagte er schlicht, als wäre nichts dabei.
Ich musste mich anstrengen, nicht zu lächeln, auch wenn ich nicht richtig verstand, warum es mich so froh machte. Micha lehnte sich wieder zurück, ohne mich loszulassen. Mein Kopf lag auf seiner Schulter, und ich hörte seinen Herzschlag, vollkommen ruhig und regelmäßig – nicht schnell und tänzelnd wie meiner.
Je länger ich in seinen Armen war, umso zufriedener wurde ich. Ich fühlte mich sicher, als könnte mir nichts etwas anhaben. Und zugleich leugnete ich vor mir selbst hartnäckig, dass ich im Begriff war, mich in meinen besten Freund zu verlieben.
Eine Woche ist seit dem Autorennen vergangen, und ich habe mich seitdem in meinem Zimmer versteckt und von Käsemakkaroni und Cola light ernährt. Dean ist immer noch hier. Lila ist an dem Morgen nach dem Rennen nach Hause gefahren. Sie wollte länger bleiben, doch ich war dagegen, und anscheinend fand ihr Dad die Idee auch nicht so klasse.
Ein bisschen einsam ist es allerdings.
Michas Nachricht auf meiner Mailbox habe ich bisher nicht abgehört, und das dauernde Blinken auf dem Display schafft mich. Ich beschließe, heute meinen freiwilligen Hausarrest zu unterbrechen und etwas zu tun, was ich schon seit Längerem will: das Grab meiner Mutter zeichnen, weil ich ja nicht immer nahe genug bin, um es zu besuchen. Das hat mich die gesamten acht Monate gequält, die ich fort war. Erst fühle ich mich schuldig, dass ich sie dorthin gebracht habe, und dann verschwinde ich einfach?
Also nehme ich meinen Skizzenblock und die Stifte aus der Nachttischschublade, ziehe meine Schuhe an, setze die Sonnenbrille auf und gehe zur Vordertür hinaus, denn da ist die Wahrscheinlichkeit geringer, dass ich Micha über den Weg laufe. Es ist ein warmer Tag, und der blaue Himmel glitzert im Sonnenschein. Auf dem Weg hinauf zum Cherry Hill entscheide ich mich spontan, bei Grady vorbeizuschauen.
Auf mein Klopfen hin öffnet Amy, seine Krankenschwester, die Trailertür in blauer OP-Kluft. »Oh, hi, Ella. Ich fürchte, Grady kann heute keinen Besuch empfangen, Süße.«
»Aber er hat gesagt, dass ich kommen soll«, erwidere ich blödsinnigerweise. »Ich weiß, dass ich später als versprochen komme, und das tut mir leid.«
»Er ist dir nicht böse, Ella«, sagt sie freundlich. »Ich habe ihn nur gerade an den Sauerstoff gehängt, und er hustet ziemlich.«
Ich schirme meine Augen mit
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