Das Geheimnis von Islay Island
Waddington zuwinkte. Ich winkte zurück und wartete, bis er mich eingeholt hatte.
»Wie gut … dass … ich … Sie … gesehen habe … Dorward.« So, wie er keuchte, musste er gerannt sein.
»Auch zu einem kleinen Spaziergang unterwegs, Waddington?« Ich wartete, bis er wieder Luft bekam, und fragte ihn: »Ist das der kürzeste Weg runter ans Meer?«
Er ignorierte meine Frage. »Ich habe gesehen, wie Sie in diese Richtung liefen, und muss Sie deshalb über Sir Thomas’ Projekt in Kenntnis setzen. In Zusammenarbeit mit dem Schottischen Naturschutzverband hat er dieses Gebiet« – er machte eine ausladende Geste Richtung Meer – »zum geschützten Lebensraum für die anglonubische Wildziege erklärt. Die Tiere dürfen nicht gestört werden, denn in der laufenden Studie wird untersucht, wie es sich auf die Tiere auswirkt, wenn sie ein Jahr lang keinerlei Kontakt zu Menschen haben. Die Studie dauert noch ein paar Monate.«
Ich glaubte ihm kein einziges Wort und erwiderte lächelnd: »Gut, dass Sie mir das sagen. Ich will bestimmt kein Experiment durcheinanderbringen. Jetzt, wo die Sonne rausgekommen ist, bleib ich einfach ein bisschen hier sitzen, bis ich zurückmuss. Wir sehen uns zum Abendessen.«
Das brachte ihn ein wenig in die Bredouille. Ich ging – daran hatte ich keinen Zweifel gelassen – davon aus, dass er jetzt zum Haus zurückkehrte. Ich wusste, dass er mich im Auge behalten wollte, um sich zu vergewissern, dass ich auch wirklich nicht zum Meer hinunterlief, doch er hatte keinen Vorwand, bei mir zu bleiben.
»Äh-ja.« Er machte kehrt und verschwand zwischen den Bäumen.
Ich ließ mich auf einer der vielen kleinen grauen Felsnasen nieder und setzte mich so, dass ich den Wald im Blick hatte. Er würde mich heimlich beobachten. Ich kniff die Augen zusammen, als sei ich vom Licht geblendet, und suchte den Waldrand ab. Richtig, im Schutz der Stämme waren die Umrisse einer Gestalt zu erkennen. Während ich das Gesicht in die Sonne hielt, überlegte ich, wie ich diesen Küstenstreifen erkunden sollte.
»Was für ein gequirlter Quatsch«, sagte ein Stein in meiner Nähe, der aus dichten Büscheln von kupferfarbenem Farnkraut ragte.
Ich starrte auf den mit zart gelben, spiegeleiförmigen Flechten bewachsenen kleinen Felsen.
»Er beobachtet Sie vom Wald aus«, sagte der Stein.
»Ich weiß.« Ich stand auf und setzte mich auf seine flach gerundete Oberseite. Von dem Mann, der dahinter kauerte, sah ich nur einen altmodischen Filzhut, dessen Krone wie unter einem gewaltigen Faustschlag eingedellt war.
»Da unten gibt es nichts weiter als Seehunde und Otter«, bemerkte der Mann unter dem Hut.
Ich nutzte die Chance. » Ich glaube, es gibt da unten etwas, das er mir vorenthalten will.«
»Das kann nur der neue Schuppen in einer der kleinen Buchten an der Landzunge sein. Letzte Woche ist nach Anbruch der Dunkelheit immer ein Boot gekommen und hat irgendwelches Zeug hingeschafft. Ich war da unten, ich dreh einen Film fürs Fremdenverkehrsamt – Geschöpfe der Nacht ist mein Titel. Otter, Schwäne, Enten, die verschlafen die Nacht nicht wie wir, wissen Sie.«
Ich blickte versonnen auf die Bäume. »Sie sind ziemlich gut informiert. Kommen Sie oft hierher?«
Der Hut neigte sich zurück, und zum Vorschein kamen bemerkenswert wache blaue Augen in einem verwitterten, von einem drahtigen grauen Bart mit rötlich braunen Strähnen gerahmten Gesicht. »Das hier ist eine der besten Stellen auf dieser Seite der Insel, um Tiere in freier Wildbahn zu beobachten, doch in den letzten Wochen haben mich ständig Mitarbeiter des großen Hauses verwarnt. Natürlich richte ich mich nicht danach, halte mich einfach bedeckt – dachte, Sie wären eine von denen. Ich gehe an den Strand, wann es mir passt, und seh mir die Otter an, faszinierende Geschöpfe. Ungefähr vor einer Woche hab ich frühmorgens hinter einem dieser Felsen gehockt und ihnen zugesehen, als ich ein Stück den Strand rauf Stimmen hörte.« Er wurde lauter. »Ignoranten, Idioten! Dieser Krach muss die Otter meilenweit verscheucht haben. Das geringste Geräusch oder eine unbedachte Bewegung, und weg sind sie.«
»Sie sind bis da drüben zu hören«, warnte ich. »Er ist immer noch da.«
»Ich bekenne mich schuldig.« Er sprach leise weiter. »Alles, was die wild lebenden Tiere betrifft, behalte ich gern im Auge, wissen Sie, deshalb hab ich mir gedacht, ich lauf mal schnell los und seh mich um. Holzauge sei wachsam!«
»Holzauge?«
»Slang alter
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