Das Geheimnis von Summerstone - Die furchtlosen Vier
die Frage vollkommen missverstand.
»Äh, wir möchten heute auf alle Fälle keine solchen Übungen machen«, erklärte Lulu selbstsicher. »Soll heißen: keine Vaseline.«
»In diesem Fall gibt es keine Schönheitsübungen. Teilnehmer, ihr habt mein Wort. Betrachtet es als mit Lippenstift besiegelt. Heute keinerlei Schönheitsübungen und keine Vaseline. Wie wäre es mit zehn Minuten Fantasieübungen im Angstlabor, damit Schmidty Zeit hat, mir Make-up aufzulegen und meine Haare zu richten?«
»Schmidty ist für Ihr Make-up zuständig?«, fragte Lulu.
»Jetzt verstehe ich«, sagte Theo und dachte an Mrs Wellingtons manchmal sehr fragwürdige Farbwahl beim Schminken. »Ja, langsam wird mir alles klar.«
Sobald ihre aschfahle, kahlköpfige Direktorin die Große Halle verlassen hatte, ging Garrison in Richtung Angstlabor.
»Bitte, gern geschehen«, sagte Lulu sarkastisch zu den anderen. »Ein bisschen Dankbarkeit fände ich ganz nett.«
»Danke Lulu, wir wissen zu schätzen, was du getan hast«, sagte Madeleine lahm. »Jetzt müssen wir im Angstlabor loslegen.«
»Könnten wir uns nicht einfach vorstellen, wir würden uns unsere Aufgaben im Angstlabor vorstellen?«
»Jetzt, wo du es sagst«, meinte Garrison und lächelte breit.
»Du bist doch wahrhaft teuflisch, Lulu«, sagte Theo voller Bewunderung.
»Ich weiß«, sagte sie stolz. »Was würdet ihr bloß ohne mich anfangen?«
»Ich hätte wahrscheinlich mehr Selbstbewusstsein. Ich schätze, Madeleine würde es nicht so viel ausmachen, bei Schönheitswettbewerben nicht im Rampenlicht zu stehen, und Garrison …«
»Theo, das war eine rhetorische Frage. Das habe sogar ich kapiert«, sagte Garrison und ging Richtung Klassenzimmer.
»Auf rhetorische Fragen«, sagte Theo enttäuscht zu sich selbst, »falle ich jedes Mal rein.«
Theo schloss sich Garrison an und die vier marschierten ins Klassenzimmer.
Das Klassenzimmer war fast dunkel, weil die schweren Samtvorhänge zugezogen waren und kein Tageslicht hereinließen. Madeleine fühlte sich an die Fahrt zum Phobinasium erinnert, als Bäume und Schlingpflanzen die Sonne beinahe ganz verfinstert hatten.
Zum Glück drangen zwischen den dichten Vorhängen ein paar Sonnenstrahlen durch. Lulu sah auf die Lichtflecken.
Mrs Wellington bereitete den Diaprojektor für den heutigen Unterricht vor. Das Brummen des Projektors dröhnte den vieren schmerzhaft laut in den Ohren. Sie waren natürlich daran gewöhnt, dass Lehrer fast lautlose Laptops für ihre Präsentationen benutzten.
Garrison saß in untadeliger Haltung da, was eine Folge von Mrs Wellingtons Schönheitsköniginnen-Unterricht war. Garrison merkte es nicht, denn er hoffte so sehr, dass der heutige Unterricht sich endlich einmal um Ängste drehen würde. Es brauchte ja nicht gleich die Zauberformel zu sein, die seine Angst augenblicklich zum Verschwinden brachte, aber ein paar gute, vernünftige Ratschläge wünschte er sich doch. Garrison wünschte sich etwas, das er zu seinem Vater nach Hause mitnehmen konnte.
Hinter Garrison saß Theo, ebenfalls in vollkommener Haltung. Er fuhrwerkte mit der Zunge im Mund herum und versuchte verzweifelt, die schleimigen Reste des gestrigen Unterrichts wegzubekommen. Sein Zahnfleisch fühlte sich zwar weicher an, das musste er zugeben, aber er war einfach nicht daran gewöhnt, dass sein Mund so glitschig wie eine Wasserrutsche war. Neben Theo vollzog Madeleine ihr gewohntes Sprühritual in fast vollkommener Haltung. Lulu, die vor Madeleine saß, ließ trotzig die Schultern hängen. Sie war stolz darauf,
dass sie die Schönheitserziehung unterbunden hatte.
»Teilnehmer, als ich nach oben gegangen bin, hat Schmidty aufgeschrien. So entsetzt war er darüber, dass ich euch, meinen Schülern, erlaubt hatte, mich ohne Make-up und ohne Haare zu sehen. Wie ihr wisst, ist mein Wahlspruch: Eine Schönheitskönigin ist allzeit bereit, und ich entschuldige mich dafür, dass ich dies eine Mal versagt habe«, sagte Mrs Wellington mit feuchten Augen. »Also, wie ihr es euch gewünscht habt, lassen wir die Schönheitserziehung heute ausfallen und konzentrieren uns auf etwas eher Traditionelles - Geschichte.«
»Geschichte? Sie wollen uns Geschichtsunterricht geben? Wie wäre es denn mal mit ein paar Tipps gegen Ängste?«, stöhnte Garrison. »Schließlich ist das doch ein Kurs gegen Ängste.«
»Sportsfreund, Geschichte ist das zweitwichtigste Lernfach für einen Jungen. Das solltest du nicht unterschätzen.«
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