Das Geheimnis von Winterset
Glück, dass Sie genau im richtigen Moment vorbeigekommen sind", fuhr Alex fort.
„Oh ja. Wir dachten schon, wir müssten zurücklaufen und Reed oder Rafe holen, und hatten Angst, dass der Hund bis dahin gestorben sein könnte", fügte Con hinzu.
Alex nickte. „Nur wollten wir ihn auch nicht einfach nach Hause tragen, weil wir ihm dabei vielleicht noch mehr wehgetan hätten."
„Sind Sie sicher, dass dieser Nick Perkins ihn retten kann?", fragte Con.
„Nein", erwiderte Anna ehrlich, denn sie schätzte die beiden Jungen so ein, dass sie lieber die Wahrheit als eine gut gemeinte Lüge hören wollten. „Aber wenn jemand ihm noch helfen kann, dann Nick."
Mit acht Jahren war sie Nick Perkins zum ersten Mal begegnet. Sie war damals mit ihrem Vater zu ihm geritten, der Nick wegen seines schwerstverletzten Lieblingshundes um Rat fragen wollte. Früher einmal hatte Perkins als Bauer auf den Ländereien von Winterset gearbeitet, und niemand in der Gegend wusste besser über Tiere Bescheid als er. Die Kenntnisse der Kräuter und Heilmittel hatte er von seiner Mutter erworben, die sie wiederum von ihrer Mutter gelernt hatte. Nick hatte einmal erzählt, dass es seit Generationen heilkundige Frauen in seiner Familie gegeben hatte. Er hatte Annas Vater damals ein Mittel mitgegeben, dessen regelmäßige Verabreichung dem Hund das Leben rettete.
Für Anna, die Tiere schon immer geliebt hatte, war Perkins seitdem ein Zauberer, dem sie jedes verwundete Tier brachte, das sie unterwegs auflas. Im Laufe der Jahre hatte er ihr auf diese Weise nicht nur viel seines Wissens über Tiere und den Umgang mit ihnen vermittelt, sondern sie auch in der Anwendung der Heilkräuter unterwiesen.
Irgendwann hatte sie sich dann bei sich zu Hause einen kleinen Raum hinter der Küche eingerichtet, wo sie ihre eigenen Salben und Säfte herstellte. Sie hatte den Gärtner zudem gebeten, den Küchengarten ein wenig zu vergrößern, damit sie ausreichend Platz hatte, die Kräuter anzubauen, die sie für ihre Heilmittel benötigte.
Natürlich gab es auch viele Pflanzen, die wild auf den Wiesen und im Wald wuchsen, und Perkins hatte sie gelehrt, wo sie zu finden und wann sie zu sammeln waren. Noch immer ging sie regelmäßig gemeinsam mit Nick auf die Suche, denn obwohl er mittlerweile schon weit jenseits der siebzig war, waren seine Augen noch immer unfehlbar im Auffinden seltener Kräuter.
Wenn Anna ganz ehrlich war, dann vertraute sie auf Nicks Heilmittel mindestens ebenso wie auf jene, die sie vom Dorfarzt bekam - wenngleich sie das Dr. Felton gegenüber niemals zugeben würde.
Sie überquerten den Bach und folgten dann einem etwas breiteren Weg, der sie bis zum Haus von Nick Perkins führte, das mit seinen zwei Zimmern und der Küche klein und gemütlich war und zwischen ein paar Bäumen versteckt lag. An einer Seite des Hauses rankte Efeu bis unter das Dach empor, und vor dem Haus gab es einen kleinen Garten, der den betörenden Duft von Rosen und Kräutern verströmte. Seit er sich vor ein paar Jahren zur Ruhe gesetzt hatte, richtete Nick seine ganze Aufmerksamkeit und seine noch immer beachtliche Energie auf dieses kleine Stückchen Land, auf dem er jedes Jahr nicht nur ein buntes Blumenmeer hervorbrachte, sondern auch die Pflanzen heranzog, die er für seine Heilmittel brauchte.
Auch jetzt kniete Nick in seinem Garten und drehte sich beim Geräusch der sich nähernden Schritte überrascht um.
Als er Anna erkannte, erhellte sich sein wettergegerbtes, faltiges Gesicht zu einem strahlenden Lächeln, und mit etwas Mühe, die seine alten Knochen ihm mittlerweile bereiteten, erhob er sich. Doch obwohl er schon alt war, wirkte Nick Perkins noch keineswegs gebrechlich. Nach wie vor war er ein gesunder und rüstiger Mann, dessen breite Schultern nur wenig gebeugt waren, und obwohl er nun langsamer in seinen Bewegungen war als früher, konnte er doch noch kräftig zupacken. Seine klugen blauen Augen funkelten vor Lebensfreude.
„Miss Anna!", rief er erfreut und kam auf sie zu. Erst dann bemerkte er die beiden Jungen und das Bündel, das sie zwischen sich trugen, und seine heitere Miene verschwand mit einem Schlag.
Mit schnellen Schritten war er bei ihnen. „Was haben Sie mir denn heute wieder mitgebracht?"
Er beugte sich über ihre schwere Last, verschaffte sich mit einem Blick einen Eindruck von der Schwere der Verletzungen und sagte: „Bringt ihn in die Küche, Jungs, damit wir ihn schnell auf den großen Tisch legen können."
Er ging
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