Das Geheimnis von Winterset
Ich ... eigentlich hatte ich es schon vor." Er seufzte. „Schließlich nutze ich das Haus überhaupt nicht, und der geplante Verkauf war ein guter Vorwand, um hierherzukommen."
„Ein Vorwand?", fragte Rafe rasch nach. „Wozu brauchst du einen Vorwand, um dich auf deinem Landsitz aufzuhalten?"
„Weil ich seit drei Jahren nicht mehr hier war. Weil ... ich dachte, ich könnte auf diese Weise unangenehmen Fragen aus dem Weg gehen."
„Unangenehme Fragen? Von deiner Familie?", wollte Kyria ungläubig wissen.
Reed nickte. „Ja. Und auch von anderen Leuten. Ich dachte mir, dass es einfach sehr seltsam erscheinen muss, dass ich mich drei Jahre nicht habe blicken lassen und dann auf einmal ohne einen besonderen Anlass zurückkomme."
„Es wäre auch nicht verwunderlicher, als sich dieses merkwürdige Haus überhaupt gekauft zu haben und es nach wenigen Wochen bereits wieder aufzugeben", entgegnete Kyria prompt. „Ich hatte mich schon immer gewundert, was damals in dich gefahren war." Sie hielt kurz inne und fuhr dann fort: „Weshalb bist du wirklich nach Winterset zurückgekehrt? Ist es wegen Anna Holcomb?"
Argwöhnisch blickte Reed sie an. „Wie kommst du darauf?"
Kyria schmunzelte. „Ich habe Augen im Kopf. Heute Abend habe ich dich beobachtet - du konntest kaum den Blick von ihr abwenden. Und neulich, als sie die Zwillinge zurückgebracht hat, war es genauso. Da hast du auch noch darauf bestanden, sie zu begleiten, wo es doch völlig ausreichend gewesen wäre, sie mit der Kutsche nach Hause bringen zu lassen. Als du dann zurückkamst, warst du so schlecht gelaunt, dass ich kaum wagte, dich anzusprechen."
Reed sah sie aufgebracht an, seine Augen funkelten. „Als ob dich jemals etwas davon abhalten könnte, mir deine Meinung zu sagen!"
„Nun ja, du hast recht", gestand Kyria ein und lächelte verschmitzt. „Außerdem ist mir auch nicht entgangen, wie Miss Holcomb dich anschaut."
„Sie schaut mich an?" Reed beugte sich in seinem Sessel vor, und sein Blick wich keinen Moment von Kyrias Gesicht. „Wie schaut sie mich an?"
„So wie eine Frau einen Mann anschaut, an dem sie sehr interessiert ist", erwiderte Kyria. „Den ganzen Abend ließ sie ihren Blick immer wieder über die Gäste im Salon schweifen, und sobald sie dich entdeckt hatte, wandte sie sich ab - nur um kurz darauf erneut nach dir Ausschau zu halten."
Reed verzog kurz das Gesicht. „Wahrscheinlich wollte sie nur wissen, wo ich war, damit sie mir aus dem Weg gehen konnte."
Seine Schwester lächelte bedeutungsvoll. „Oh, das denke ich nicht. Wann immer sie dich ansieht, schimmern ihre Augen ganz verklärt." Sie neigte den Kopf ein wenig zur Seite und betrachtete ihren Bruder aufmerksam. „Und ist sie nicht auch einfach zu schön und liebenswert, um immer noch unverheiratet zu sein? Was ist vor drei Jahren geschehen, Reed? Hast du ihr das Herz gebrochen?"
„Ich? Warum glaubst du, dass ich ihr das Herz gebrochen habe?", fragte Reed ungehalten.
„Willst du damit sagen, dass es genau andersherum war?"
„Ich habe um Annas Hand angehalten, und sie hat mich abgewiesen."
Kyria sah ihn ungläubig an. „Sie hat deinen Antrag abgelehnt?"
Reed grinste. „Es sollte mir wahrscheinlich schmeicheln, dass dich dieser Umstand so fassungslos macht."
„Aber das ist ja kaum zu glauben! Die Frauen laufen dir in Scharen hinterher, der einzige Junggeselle, der noch begehrter ist als du, ist Theo - und das auch nur, weil er eines Tages der Duke sein wird." Nachdenklich runzelte sie die Stirn und fügte dann hinzu: „Es wäre nur verständlich, wenn sie bereits in einen anderen Mann verliebt wäre, bloß ... "
Reed zuckte die Schultern. „Ich kann es mir auch nicht erklären. Wahrscheinlich klingt es furchtbar anmaßend, aber ich habe nie daran gezweifelt, dass sie meinen Antrag annehmen würde. Sie war ... nun, wir kannten uns noch nicht lange, aber vom ersten Moment an gab es ... hat uns ein ganz bestimmtes Gefühl miteinander verbunden. Ich kann es nicht in Worte fassen."
Kyria lächelte und warf ihrem Mann einen kurzen Blick zu. „Wir wissen genau, was du meinst."
Reed lächelte nun ebenfalls. „Ja, das denke ich mir. Aber anscheinend beruhten meine Gefühle nicht auf Gegenseitigkeit. Ich bin davon ausgegangen, dass Anna wusste, was ich für sie empfinde, und dass sie ... nun, ich dachte, dass sie mich ermutigte. Ich habe sie häufig besucht, wir sind zusammen ausgeritten - ich habe sogar einige Abendgesellschaften gegeben, nur um
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