Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geheimnis

Das Geheimnis

Titel: Das Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
Vom Netzwerk:
die Konkubinen; dann ging sie den Flur hinunter zu Shigerus Schlafgemach.
    Im Licht der Tischlampe lag der Fürst auf dem Futon und hatte sich eine Decke übergestreift; sein Kopf ruhte auf einer hölzernen Nackenstütze. Nun folgte Fürstin Miyagis liebster Teil des Rituals: Sie und Shigeru kamen zusammen. Die Fürstin legte sich neben ihren Gatten auf den Futon. Niemals berührten sie einander; sie lagen nur Seite an Seite. Meist war Shigeru zu diesem Zeitpunkt schon halb eingeschlafen. Fürstin Miyagi wartete eine Weile, ob ihr Gemahl irgendwelche Wünsche äußerte; dann blies sie die Lampe aus, bis auch sie irgendwann in Schlaf versank, im sicheren Gefühl der einzigartigen Liebe, die sie und Shigeru vereinte.
    An diesem Abend jedoch lag Shigeru wach und starrte mit nachdenklichem Blick an die Decke.
    »Stimmt etwas nicht, Vetter?«, fragte die Fürstin.
    Er drehte sich zu ihr um. »Diese Nachforschungen über den Mord an der Konkubine …«, murmelte er. Die Besorgnis auf seinem Gesicht ließ ihn älter und jünger zugleich erscheinen; in seinen weichen, schlaffen Zügen konnte die Fürstin sowohl den Jungen wieder erkennen, den Gefährten aus ihrer Mädchenzeit, wie auch den ältlichen Mann, der aus ihm geworden war. »Seit sôsakan Sano bei uns gewesen ist, habe ich schreckliche Vorahnungen.«
    »Aber warum? Du hast doch keinen Grund, dich zu fürchten.«
    Wenngleich ihre Stimme ruhig blieb, war Fürstin Miyagi besorgt. Warum hatte sie Shigerus Ängste nicht längst gespürt? Weshalb hatte er sich ihr nicht schon eher anvertraut? Zerriss ihr kostbares geistiges Band? Wie eine heiße, erstickende Flamme loderte Zorn in Fürstin Miyagi auf. Harume hatte das bewirkt! Doch unter der Oberfläche des Zorns glühte auch ein Funken Angst in ihrer Brust.
    Wie viel wusste Shigeru? Was würde mit ihnen beiden geschehen? Plötzlich wollte die Fürstin gar nicht mehr hören, was Shigeru zu sagen hatte. Steif und starr lag sie unter der Decke und spürte, wie die Furcht gleich einem scharfkantigen Kristall in ihrem Innern wuchs, und machte sich auf eine Katastrophe gefasst.
    »Ich habe gehört, dass sôsakan Sano ein Mann ist, der vor nichts und niemandem Halt macht, um die Wahrheit aufzudecken«, sagte Shigeru. »Wenn er nun herausfindet, was zwischen Konkubine Harume und mir gewesen ist? Ich könnte des Mordes angeklagt werden.«
    »Er weiß schon von deiner Affäre«, erwiderte die Fürstin in ruhigem Tonfall, obgleich ihr vor Entsetzen beinahe übel wurde. Shigeru verhaftet … vielleicht sogar des Morden angeklagt … und hingerichtet? Wie sollte sie ohne ihn weiterleben? »Du hast zugegeben, Harume die Tusche geschickt zu haben, aber sôsakan Sano kann nicht beweisen, dass du irgendetwas mit dem Mord zu tun hast.« Sie musste sich zwingen, die nächsten Worte auszusprechen: »Oder könnte er sonst noch etwas herausfinden?«
    Trotz ihrer panischen Angst, Shigeru zu verlieren, schmeckte die Fürstin bittere Eifersucht. Sie wollte gar nicht erfahren, ob mehr zwischen Shigeru und Harume gewesen war, als sie wusste; sie wollte nicht schon wieder verletzt werden.
    Mit kläglicher Stimme erklärte Shigeru: »Harume sagte, sie würde dem Shôgun erzählen, ich hätte ihr Gewalt angetan, wenn ich ihr nicht 10.000 koban zahlte. Ich war nicht sicher, ob sie es ernst meinte, also habe ich das Geld bezahlt – nach und nach und in kleineren Summen, damit du nicht merkst, dass vom Haushaltsgeld jedes Mal etwas fehlte. Ich wollte nicht, dass du dir Sorgen machst.«
    Shigeru atmete mehrmals tief durch, als hätte dieses Geständnis ihn erschöpft. »Dass Harume mich erpresst hat, wäre ein starkes Mordmotiv. Falls sôsakan Sano davon erfährt, würde es mich zum Hauptverdächtigen machen. Verstehst du jetzt, weshalb ich Angst habe?«
    Erleichterung durchströmte Fürstin Miyagi. Vergessen waren ihre Ängste und Zweifel; am liebsten hätte sie vor Freude laut gelacht. Es ging bloß um Erpressung und nicht um irgendein schreckliches Geheimnis! Und wie freundlich Shigeru war, dass er auch an ihre Gefühle dachte. Fürstin Miyagi wurde von neuer Zuversicht erfüllt; ihr Verdacht verflog, dass Shigeru die Wahrheit aus einem weniger edelmütigen Grund vor ihr verbarg. Sie war von ihnen beiden der starke und entschlossene Partner, der Probleme aus der Welt schaffte, wann immer sie auftraten. Sie konnte alle Gefahren abwenden und über jeden Gegner triumphieren, der sie und Shigeru bedrohte.
    »Sorge dich nicht, Vetter«, sagte sie. »Ich

Weitere Kostenlose Bücher