Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geheimnis

Das Geheimnis

Titel: Das Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
Vom Netzwerk:
flehst, werde ich lachen und zu dir sagen: ›So fühlt es sich an, bittere Qualen zu erleiden!‹
    ›Wenn du mich nicht lieben willst, werde ich dich töten!‹«

    Schweigen. Fürstin Keisho-in und Priester Ryuko saßen wie gelähmt da. Der Kohlenrauch, der Geruch des Essens und die erstickende Hitze im Zimmer umhüllten Sano, Hirata und das Verschwörerpaar wie eine Übelkeit erregende Dunstglocke.
    Plötzlich begann Keisho-in zu husten und legte beide Hände um die Kehle. »Hilfe!«, stieß sie keuchend hervor.
    Ryuko klopfte ihr auf den Rücken. »Wasser!«, befahl er. »Sonst erstickt sie an dem Bissen!«
    Hirata sprang auf und goss aus einem Tongefäß Wasser in eine Schale, die der Priester ihm hinhielt. Dann setzte Ryuko die Schale an Keisho-ins Lippen. »Trinkt, Herrin«, forderte er sie auf.
    Das Gesicht der Fürstin lief rot an, und ihre Augen tränten, während sie würgend nach Atem rang. Als sie mit Mühe einen Schluck Wasser trank, lief es ihr aus den Mundwinkeln über das Nachtgewand.
    Ryuko warf Sano einen finsteren Blick zu. »Seht nur, was Ihr angerichtet habt!«
    Sano erwiderte nichts darauf. Er musste daran denken, wie die Fürstin nach der Nachricht von Harumes Ermordung einen Ohnmachtsanfall bekommen hatte. War es ein Ablenkungsmanöver gewesen, um zu vertuschen, dass sie bereits von dem Mord gewusst hatte? War es auch diesmal nur Schauspielerei? Eine gerissene Täuschung, oder echtes Entsetzen?
    Keisho-in legte sich auf die Kissen und atmete mit offenbar übertriebener Erleichterung tief ein und aus, während Ryuko ihr Luft zufächelte. »Ihr habt Harume diesen Brief geschrieben«, sagte Sano. »Ihr habt gedroht, sie zu töten.«
    »Nein. Nein«, protestierte Keisho-in mit schwacher Stimme.
    »Woher habt Ihr dieses Schreiben?«, rief Ryuko zornig. »Lasst es mich sehen!«
    Sano hielt den Brief in die Höhe – in sicherem Abstand von Ryukos Händen, denn er wollte nicht, dass dieses Beweisstück im Kohleofen endete. »Ich habe den Brief aus Harumes Gemach«, antwortete er.
    »Das kann nicht sein!«, rief das Paar gleichzeitig aus. Ryukos Gesicht war aschfahl, und in seinen Augen spiegelte sich nacktes Entsetzen. Fürstin Keishoin setzte sich auf und sagte: »Ich habe diesen Brief geschrieben. Ja, ich gebe es zu. Aber er war nicht an Harume gerichtet, sondern an meinen Liebsten, der hier neben mir sitzt.« Sie streichelte Ryukos Arm.
    Es war eine gerissene Ausrede, die Fürstin Keishoin zweifellos während ihres ›Hustenanfalls‹ gekommen war. Auch Ryuko erholte sich rasch von dem Schreck. »Meine Herrin sagt die Wahrheit«, erklärte er. »Immer wenn sie meint, dass ich ihr nicht genug Aufmerksamkeit schenke, wird sie wütend und macht ihrem Zorn in Briefen Luft. Manchmal droht sie mir, mich umzubringen, aber das meint sie natürlich nicht ernst. Den Brief, den Ihr da habt, habe ich vor ungefähr einem Monat bekommen. Wie jedes Mal haben wir unseren Streit rasch beigelegt, und ich gab ihr den Brief zurück.«
    »Ja, ja, genauso war es«, bestätigte Keisho-in.
    Ryuko hatte sich nun wieder vollkommen in der Gewalt; dennoch konnte Sano die Furcht hinter seinem gelassenen Blick erkennen. »In diesem Brief steht kein einziges Wort, mit dem man beweisen könnte, dass er an Harume gerichtet war«, erklärte Ryuko. »Ihr habt einen Fehler gemacht, sôsakan-sama. «
    »Es gibt aber auch keinen Beweis dafür, dass der Brief an Euch gerichtet war«, entgegnete Sano. »Außerdem habe ich ihn versteckt im Ärmel von Harumes Kimono gefunden. Wie könnt Ihr das erklären?«
    »Sie … Sie muss ihn aus meinen Gemächern gestohlen haben«, stieß Keisho-in hervor, die es nicht so gut wie Ryuko verstand, ihre wahren Empfindungen zu verbergen, denn Furcht lag in jedem ihrer raschen, rasselnden Atemzüge. »Ja, genau so muss es gewesen sein.«
    »Warum hätte Harume den Brief stehlen sollen?«, fragte Sano.
    Das Paar starrte ihn an, sprachlos vor Verwirrung. Der unverkennbare Geruch der Furcht – Schweiß und Honig – breitete sich im Gemach aus. Sano wusste, dass nicht nur Keisho-in und Ryuko, sondern auch er selbst und Hirata diesen Geruch verströmten. Dann brachte Sano den letzten und entscheidenden Beweis vor. »Wir haben einen Zeugen, der Euer Gespräch mit angehört hat, als ihr Euch verschworen habt, Harume und ihr ungeborenes Kind zu ermorden, damit Tokugawa Tsunayoshi für den Rest seines Lebens Shôgun bleibt und Ihr Euren Einfluss auf ihn behaltet.«
    »Das ist eine Lüge!«, rief Keisho-in.

Weitere Kostenlose Bücher