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Das Geheimnis

Das Geheimnis

Titel: Das Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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über die Mordanschläge, die Yanagisawa auf Sano hatte verüben lassen, und an die angeblichen Versuche des Kammerherrn, Sanos Ruf zu zerstören und seinen Einfluss auf den Shôgun zu untergraben. Ihre Verdächtigungen erhärteten sich. Hatte Yanagisawa die Wachen der Fürstin Keisho-in bestochen, damit sie kurz ihre Posten verließen?
    »Was geschah dann?«, fragte Reiko aufgeregt und ängstlich zugleich.
    »Shichisaburô eilte durch das Innere Schloss. Ich konnte kaum mit ihm Schritt halten. Schließlich huschte er in ein Gemach am Ende des Flurs.«
    Das Zimmer von Konkubine Harume!, schoss es Reiko durch den Kopf. Sie war vor Entsetzen und Hochgefühl wie benommen, als sie an das politische Klima dachte, in dem der Mord geschehen war: die gefährdete Erbfolge der Tokugawa, die Eifersüchteleien und Machtkämpfe, die Gerüchte über Fürstin Keishoin. Der heimliche Besuch Shichisaburôs verknüpfte die einzelnen Teile dieses Falles zu einem Muster, das auf eine Katastrophe hindeutete.
    »Ich habe ein Ohr an die Wand gedrückt«, fuhr sensei Fukuzawa fort, »und hörte, wie Shichisaburô das Gemach durchstöberte, aber er kam mit leeren Händen wieder heraus. Ich wollte ihn zur Rede stellen, doch unglücklicherweise bekam ich wieder Magenkrämpfe. Shichisaburô verschwand. Wegen der Krämpfe konnte ich nicht sofort melden, was ich beobachtet hatte, und später war ich so sehr damit beschäftigt, meine Stunden zu beenden und mich von den Damen zu verabschieden, dass ich die ganze Geschichte einfach vergessen habe.«
    Reiko sprang auf, als das letzte Steinchen sich in das tödliche Mosaik fügte und das Gesamtbild erkennbar wurde.
    »Stimmt etwas nicht, mein Kind?« Der alte Musiklehrer runzelte verwirrt die Stirn. »Was ist mit Euch?«
    »Verzeiht, sensei Fukuzawa, aber ich muss mich sofort auf den Weg machen. Es geht um eine sehr dringende Angelegenheit!«
    Reiko verneigte sich und verabschiedete sich rasch. Dann eilte sie den Hügel hinunter und sprang in die wartende Sänfte. »Bringt mich zum Palast des Shôguns«, wies sie die Träger an. »Und beeilt euch!«
    Für Reiko gab es keinen Zweifel, dass Sano den Gerüchten über Keisho-in nachging und Beweise finden würde, die den Verdacht gegen die Fürstin erhärteten – und dann würden Sanos Ehre und die Pflicht von ihm verlangen, die Mutter des Shôguns des Mordes anzuklagen, ungeachtet der Folgen für ihn selbst und andere. Nur Reiko wusste, dass Sano in höchster Gefahr schwebte. Sie allein konnte ihn – und sich selbst – vor Schande und Tod bewahren. Sie musste Sano warnen, bevor er in die Falle tappte! Doch während Reiko zitternd vor Ungeduld in der Sänfte saß, stieg noch eine andere Furcht in ihr auf.
    Würde Sano ihr Handeln billigen, wenn sie Erfolg hatte? Oder würde ihr erneuter Ungehorsam gegenüber ihrem Gatten auch die letzte Chance zunichte machten, dass sie beide doch noch in Liebe zueinander fanden?

30.
    W
    ir haben die Aussage von Konkubine Ichiteru, den Brief, das Tagebuch und die Erklärungen von Harumes Vater«, sagte Sano zu Hirata. »Das ist zu viel Beweismaterial gegen Fürstin Keisho-in, als dass wir es ignorieren könnten. Wir dürfen die Vernehmung der Fürstin nicht länger hinausschieben. Und Priester Ryuko besitzt die richtige Größe und Statur, dass die Beschreibung des Mannes auf ihn passt, der Choyei erstochen hat.«
    Sano hatte Hirata bereits von den Geschehnissen in der Wohnung des fahrenden Drogenhändlers und der erfolglosen Suche nach seinem Mörder berichtet. Außerdem hatte er sämtliche Kräuter und Mixturen aus Choyeis Zimmer zu Dr. Ito bringen lassen, der in einem der Gefäße tatsächlich das Pfeilgift entdeckt hatte.
    Gemeinsam gingen Sano und sein Gefolgsmann durch die schummrigen Gassen des Beamtenviertels auf dem Palastgelände; ihr Ziel war das Schloss, die eigentliche Residenz des Shôguns. Die Dächer zeichneten sich als schwarze Silhouetten vor einem Himmel ab, der ein prächtiges Farbenspiel zeigte: blassblau im Zenit, schwarzblau im Osten, lachsfarben über den Hügeln im Westen, über denen blutrote Wolkenstreifen schwebten. Die steinernen Mauern und Wände strahlten eine Kälte ab, die bis ins Mark drang. Sano hatte Harumes Tagebuch dabei; darin lag der gefaltete Brief von Fürstin Keisho-in.
    »Es ist ja bloß eine Vernehmung, um Keisho-ins und Ryukos Versionen der Geschichte zu hören, und keine förmliche Mordanklage«, sagte Sano zu Hirata, als wolle er sich selbst Mut machen.
    Doch beide

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