Das Geheimnis
der Zeit der Fujiwara stammen.« Mit der Fingerspitze strich er über das Teeservice, das auf Yanagisawas Schreibpult stand. »Chinesisches Porzellan. Wunderschön.« Er öffnete die Blenden vor den Fenstern und betrachtete den Garten mit seinen moosbewachsenen Zierfelsen und den mit Sand bedeckten, geharkten Wegen. »Und eine herrliche Aussicht.«
»Was glaubt Ihr eigentlich, was Ihr da tut?« Zornentbrannt stürmte Yanagisawa auf den Eindringling los. »Hinaus mit Euch!«, fuhr er ihn an. »Auf der Stelle!«
Ryuko zog mit dem Finger die Konturen der Seidenstickerei auf einem faltbaren Wandschirm nach. »Ich brauche eine Schreibstube im Palast. Fürstin Keishoin hat mir die Erlaubnis erteilt, mir das Zimmer auszusuchen, das mir am besten gefällt. Das Eure würde meinen Erwartungen sehr gut entsprechen.«
Was für eine unglaubliche Frechheit! » Ihr wollt meine Schreibstube?«, fragte Kammerherr Yanagisawa mit ungläubigem Lachen. »Niemals!« Für diese Beleidigung würde jemand bezahlen! Yanagisawa würde all seine Untergebenen im Palast bestrafen, dass sie Ryuko Zugang zu seiner Schreibstube gewährt hatten; anschließend würde er einen Feldzug beginnen mit dem Ziel, dass der Shôgun auch Ryuko in die Verbannung schickte. »Und nehmt die Hände von dem Wandschirm!« Er packte den Priester am Arm und rief: »Wachen!«
Plötzlich sog er zischend die Luft ein, als Ryukos Finger sich wie eiserne Klammern um seine Handgelenke schlossen. Lächelnd blickte der Priester dem Kammerherrn fest in die Augen. »Es hat nicht geklappt«, sagte er.
»Was?« Ein scheußliches Gefühl breitete sich in Yanagisawas Körper aus – eine Empfindung, als würden sich sämtliche inneren Organe verschieben.
»Euer Intrigenspiel. Ihr wolltet meine Herrin hereinlegen und gleichzeitig den sôsakan-sama vernichten.« Ryuko genoss seinen Triumph, sprach langsam und bedächtig und wiederholte mit übertriebener Betonung, wobei er sich an Yanagisawas Entsetzen weidete: »Es – hat – nicht – geklappt.«
Dann erzählte er, ein Musiklehrer habe beobachtet, wie Shichisaburô durch das Innere Schloss geschlichen sei, dass die Gemahlin des sôsakan-sama den Schluss gezogen hatte, der Schauspieler habe falsches Beweismaterial in die Frauengemächer geschmuggelt, und dass die Nachricht gerade noch rechtzeitig gekommen sei, um Sano von einer offiziellen Mordanklage gegen Fürstin Keisho-in abzuhalten. Während Ryuko in verächtlichem Tonfall erzählte, schien Yanagisawas Umgebung von einer Woge des Schocks und der Übelkeit fortgespült zu werden. Die Lackschatulle fiel ihm aus den Händen, und die Nadeln verstreuten sich prasselnd auf dem Fußboden.
In dem verzweifelten Versuch, die Oberhand zurückzugewinnen, sagte der Kammerherr in herablassendem Ton: »Eure Geschichte ist lächerlich. Ich weiß gar nicht, wovon Ihr sprecht. Wie könnt Ihr es wagen, mich zu beschuldigen, Ihr habgieriger Schmarotzer!«
Ryuko lachte. »Um einen Schmarotzer zu erkennen, muss man selbst einer sein, ehrenwerter Kammerherr, und die Wahrheit steht Euch deutlich ins Gesicht geschrieben.« Mit einem verächtlichen Grinsen blickte Ryuko auf die Landkarte. »Eure verräterischen Pläne, die Herrschaft in diesem Land an Euch zu reißen, könnt Ihr ebenfalls vergessen.« Er machte sich daran, die Nadeln herauszuziehen, und warf sie zu den anderen auf den Boden. » Sôsakan Sano und Fürstin Keisho-in haben ihre Missverständnisse beigelegt, die durch Eure Verschwörung entstanden sind. Bald wird der Shôgun von Eurem schändlichen Angriff auf seine Mutter und seinen liebsten Gefolgsmann erfahren.« Ryukos Verlangen, den Kammerherrn seine Schadenfreude spüren zu lassen, war nicht zu übersehen. »Endlich wird der Shôgun Euren wahren Charakter erkennen!«
Der Priester zog die Nadel mit dem Korallenkopf aus der Abbildung der Insel Hachijo. »Ich kann mir vorstellen, wen Ihr dorthin schicken wolltet«, sagte er, nahm Yanagisawas Rechte und legte ihm die restlichen Nadeln feierlich auf die Handfläche. »Hier. Diesen Tand könnt Ihr vielleicht gegen Nahrung und Unterkunft eintauschen, wenn Ihr erst auf der Insel seid, auf die man Euch verbannen wird.«
Vor lauter Entsetzen brachte der Kammerherr kein Wort hervor. Wie hatte sein geschicktes Intrigenspiel ein so fürchterlicher Schuss nach hinten werden können? Die Angst wühlte in seinen Gedärmen. Doch schließlich fand er seine Stimme wieder und rief: »Wachen!«
Dröhnende Schritte erklangen draußen auf dem
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