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Das Geheimnis

Das Geheimnis

Titel: Das Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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Aufrichtigkeit, gestand Yanagisawa sich diesen Fehler ein. Hungrig nach Liebe und vernarrt in den jungen Schauspieler, war ihm eine verhängnisvolle Fehleinschätzung unterlaufen. Dieses Verlangen nach Zuwendung, diese schreckliche innere Leere verspürte Yanagisawa auch jetzt noch, und noch immer bedeuteten diese Empfindungen Gefahr für ihn. Seine Schwäche und sein Verlangen nach Liebe waren Yanagisawas größte Feinde.
    Doch der Kammerherr wusste, bei wem er die Schuld an diesen Fehlschlägen suchen musste: bei dem ungeschickten, unerfahrenen Shichisaburô, den er fast so sehr verachtete wie Sano. Diesmal aber würde der Plan aufgehen – ein perfekter Ausdruck seines Genies. Er würde Yanagisawa retten und zugleich seiner verhängnisvollen Affäre mit Shichisaburô ein Ende bereiten. Sein Traum, der Herrscher Japans zu werden, war zwar aufgeschoben, konnte aber noch immer Wirklichkeit werden.
    Yanagisawa keuchte, als hätte er soeben eine Schlacht geschlagen, und er fühlte sich zutiefst erschöpft. Doch sein Lächeln kehrte wieder zurück, während er die am Boden verstreuten Nadeln aufsammelte und sie erneut in die Karte steckte.

36.
    A
    uf dem Weg zu Harumes geheimem Liebhaber, machte Sano an der Leichenhalle von Edo Halt. Die kleine Ansiedlung der eta, die sich im Norden befand, war unbekanntes Gebiet für ihn, sodass er einen Führer brauchte, der ihn zu Danzaemon brachte, dem Oberhaupt der Ausgestoßenen. Mura, der Helfer von Dr. Ito, war der einzige eta, den Sano kannte. Mit ihm machte er sich auf den Weg in die nördlichen Randbezirke Nihonbashis. Sano ritt auf seinem Pferd, während Mura ihm zu Fuß folgte. Hinter den letzten, verstreut liegenden Häusern Edos durchquerten sie einen breiten Streifen Ödland, der von spärlichen Gräsern bewachsen war. Streunende Hunde durchwühlten Müllhaufen. Auf der anderen Seite dieses unbebauten Landstreifens lag die Siedlung der eta, ein weitläufiges Dorf aus Hütten und Katen, von einem Holzzaun umgeben.
    Mura führte Sano durch ein Tor, das kaum mehr war als eine Öffnung in einem Bretterzaun; dann ging es über schmale, gewundene Gassen, die knöcheltief von Unrat und Schmutz bedeckt waren. Zu beiden Seiten dieser Gassen verliefen offene Abwasserkanäle die einen scheußlichen Gestank verströmten. Die winzigen Hütten waren aus Holzabfällen und Papier errichtet. In den Türeingängen saßen Frauen und kochten an offenen Feuern, wuschen Wäsche oder fütterten Säuglinge. Kleine Kinder rannten barfuß umher. Alle starrten Sano offenen Mundes an, um dann auf die Knie zu fallen, sobald er vorüberkam. Wahrscheinlich hatten diese Menschen noch nie erlebt, dass ein bakufu- Beamter ihr Hüttendorf betrat. Rauchwolken und Wasserdampfschwaden schwebten über der Siedlung und bildeten ein übel riechendes Gemisch, das nach verwesendem Fleisch stank. Sano hatte nur ein paar Bissen zu sich genommen, bevor er nach Asakusa aufgebrochen war; nun wünschte er sich, er hätte gar nichts gegessen, denn sein Magen rebellierte.
    »Der Geruch stammt von den Gerbereien, Herr«, erklärte Mura entschuldigend.
    Sano hoffte, seine Abneigung gegenüber der eta- Ansiedlung verbergen zu können, wenn er dem Anführer dieser Leute begegnete. In welch unterschiedlichen Welten Harume und ihr Geliebter zu Hause gewesen waren!
    Sano folgte Mura einen schummrigen Gang zwischen zwei Gebäuden hinunter. Er warf einen Blick auf einen Hof zu seiner Rechten und sah Männer um einen blubbernden Teich aus Lauge stehen, in dem Tierkadaver trieben. Die Männer rührten die Flüssigkeit mit Stöcken um, während Frauen Salz auf frisch abgezogene Häute streuten. Dampfende Kessel standen auf offenen Herden; aus dem teilweise zerlegten Körper eines geschlachteten Pferdes, aus dessen Leib die Eingeweide hingen, strömte noch Blut. Sano hätte sich beinahe übergeben, als ein Windstoß den scheußlichen Geruch zu ihm trug. Die Berührung mit dem Tod vermittelte ihm ein so intensives Gefühl der spirituellen Verunreinigung, dass er am liebsten die Flucht ergriffen hätte. Er fragte sich, wie Harume die gesellschaftlichen Tabus hatte überwinden und einen Mann lieben können, dem der Pesthauch dieses Ortes anhaftete. Was hatte Harume und Danzaemon ›in den Schatten zwischen zwei Leben‹ zusammengeführt?
    Mura blieb stehen. »Das ist er, Herr.«
    Drei erwachsene männliche eta näherten sich Sano mit forschen, energischen Schritten. Der mittlere, jüngste Mann erregte auf Anhieb Sanos

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