Das geheimnisvolle Tuch
doch wegen des Schrecks einer Ohnmacht nahe. Was sie nicht wissen konnte, aber auch in ihrer Aufregung vergaß, sie geriet bei ihrer unbedachten Aktion aus dem Blickfeld des Auges und es konnte sie nicht deuten. „Tretet mit mir vor das Auge!“, befahl der Meister.
Das Auge betrachtete jeden einzelnen. Dann hörten sie die Worte: „Nennt euer Ziel und nennt das Losungswort.“
„Wir wollen in das Zauberland, aber wir haben kein Losungswort.“
„Wer schickte euch zu dem Auge?“
Marxusta wusste, dass er auf keinen Fall den Namen seiner Freundin preisgeben durfte. „Ich kenne das Geheimnis schon lange“, log er und hoffte, die Stimme überlisten zu können. „Woher wusstest du von einem Geheimnis, und welches Geheimnis meinst du?“
Marxusta geriet immer mehr in Bedrängnis, er musste darauf achten, dass er sich nicht weiter in Lügen verstrickte und eventuell das Leben aller verwirkte. Er hatte die unvorsichtige Vorgehensweise von Vanessa noch im Hinterkopf. Aber was mochte das für ein Losungswort sein? Es musste sich in den Hinweisen befinden, die ihnen die Führerin gab.
„Tretet wieder zurück“, flüsterte Marxusta. Er kramte in einer Tasche, die an der Schulter hing, und zog etwas zum Schreiben hervor.
„Wir müssen die Worte genau niederschreiben. Ich glaube, die Freundin hat darin das Losungswort mit eingebunden. Sie wusste bestimmt, dass danach gefragt würde. Also brauchen wir den genauen Wortlaut. Jeder von euch sollte nun scharf nachdenken, denn jede Silbe, jeder Buchstabe ist wichtig.“
„Das brauchen wir nicht, ich kenne diesen genau. Ich habe ein langes Gedächtnis für Worte.“ Diesmal konnte Marxusta nicht umhin, Drialin über ihren zierlichen Kopf zu streicheln, welches bei Zubla einen kleinen Eifersuchtsschub auslöste. Er verbarg ihn, musste über seine Torheit selber schmunzeln. Drialin und der Zauberer. Er stellte sich selbst als Pärchen mit Vanessa vor, er sah das Mädchen von der Seite verstohlen an. Ist das eigentlich so abwegig?
„Ich hab’s“, sagte wieder Drialin zur Überraschung aller. „Ich weiß das Losungswort. Glaube ich“, fügte sie hinzu.
„Lass hören.“ Marxusta hatte inzwischen die Worte nach Angaben Drialins niedergeschrieben.
„Alle Anfangsbuchstaben ergeben keinen Sinn, außer welche. Na?“ Drialin sah einen nach dem anderen an, Zeichen ihrer Selbstsicherheit.
„Ja, nun sehe ich es auch“, meinte Marxusta. „Nur der Satz: Erkennt das Wahre aber nicht dich. ’Wahre’ gleich W, ’aber’ gleich a, ’nicht’ gleich n und ’dich’ gleich d“.
„Wand!“, riefen sie wie aus einem Munde laut.
„Ja, das ist das Losungswort. Ihr könnt passieren“, sagte die Stimme in der Dunkelheit. Sie begaben sich vorsichtig neben das Auge und traten dahinter. Vor ihnen schwebte ein bläulicher Nebel in der Form einer großen Pforte. Sie gingen in das Ungewisse, hoffend, dass es keine Falle ist.
15.Kapitel
Der Böse
Der Körper hatte seinen Tribut gefordert und Vinc auf dem harten Boden einschlummern lassen. Er erwachte jäh aus einem kurzen Schlaf. Was aber war der Grund seines plötzlichen Erwachens?
Noch benommen schaute er sich um und spürte deutlich, dass etwas nicht stimmte.
Seine Sinne, vom bisher Erlebten besonders geschärft, alarmierten ihn beim kleinsten Zeichen einer Unregelmäßigkeit in seinem Umfeld.
Vor ihm befand sich immer noch diese riesige Festung mit dem eisernen Tor. Der Feuergraben, der sich davor entlang zog, schien noch roter geworden zu sein und blubberte. Kleine Gasblasen platzten an der Oberfläche und gaben einen widerlichen Gestank frei. Auf einmal spürte er etwas hinter sich, ganz dicht, als wolle jemand an seinen Körper.
Vinc war wie erstarrt, er spürte fast den Atem des Unbekannten in seinem Genick. Mit einem Ruck drehte er sich um, wohl wissend, einer Gefahr in das Auge sehen zu müssen. Aber dann wurde sein Schreck zu einer Freude.
„Tom!“, rief er erregt. Dieser sah ihn teilnahmslos an und fragte nur: „Wo bin ich? Und wer bist du?“
Vinc sah den starren Blick, er bekam Angst, dass sein Freund nicht mehr seiner Sinne mächtig war. „Ich bin es, Vinc“, sagte er.
„Vinc? Wer ist Vinc?“
Vinc versuchte ihm dies zu erklären, aber dann sah er ein spitzbübisches Lächeln von Tom und er ahnte, was er wieder einmal tat.
„Hör auf, mich zu verarschen!“
„War nur ein Scherz“, sagte er und schloss gleich die Frage an: „Wo bin ich wirklich?“
„Frag mich mal was Leichteres“,
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