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Das geheimnisvolle Tuch

Das geheimnisvolle Tuch

Titel: Das geheimnisvolle Tuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Vehler
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schön, die väterliche Stimme des alten Mannes zu hören. Sie fühlten sich wohl in seiner Nähe und auch geborgen, doch im Moment beschlichen sie unbehagliche Gefühle und Ängste. Ursache war nicht nur die Dunkelheit, eher das Ungewisse und sie könnten den Hinweis nicht enträtseln.
    „Bleibt dicht hinter mir“, hörten sie wieder die Stimme Marxustas. „Wir müssen zurück an das Auge, und nachdenken.“
    Sie lauschten dem Klang seiner Schritte und erkannten, dass sie auf festem Boden liefen und keine Gefahr war, in die Tiefe zu fallen. Dann sahen sie wieder das Auge des Wächters, sie atmeten erleichtert auf. Sie scharten sich zu einem kleinen Kreis und setzten sich auf den Boden.
    „Nun“, begann Marxusta, „überlegen wir doch einmal die Worte, die uns Zatalus sagte: wenn du in der Dunkelheit siehst. Überlegt einmal, was sie damit gemeint haben könnte.“
    Ich glaube, ich weiß es“, sagte Drialin zaghaft und sah unsicher auf den Boden. Sie war beschämt, dem weisen Zauberer zuvorzukommen. „Ich will natürlich Euch nicht in das Wort fallen“, stotterte sie noch verlegener. „Ihr seid doch der Weisheit mächtiger als ich“, fügte sie entschuldigend hinzu.
    „Weisheit muss nicht unbedingt logisches Denken oder scharfer Verstand sein. Jeder ältere Mensch ist reich an Erfahrung und wird damit weiser, aber nicht unbedingt schlauer“, sagte Marxusta lächelnd.
    Er wollte die Verlegenheit Drialins herunterspielen, ihr Mut zum Sprechen machen, was ihm auch gelang, denn sie begann sofort: „Im Grunde befinden wir uns in einem finsteren Raum, dessen momentane Helligkeit von diesem wachsamen Auge kommt.“ Sie sah Marxusta an als erwarte sie ein Zeichen von ihm, eine Zustimmung, um in ihren Ausführungen fortfahren zu können.
    Er nickte und lächelte zu der Kleinen. Aber noch einer schmunzelte und sah mit Bewunderung und Liebesblicken zu ihr. Zubla war einmal wieder fasziniert von dem Verstand seiner Freundin und legte all seine Schmalzigkeit in die Stimme, als er sagte: „Rede weiter, Liebste. Ich bewundere deinen Scharfsinn.“
    „Ob das deine Liebste ist, wirst wohl du nicht entscheiden“, hörten sie die eifersüchtige Stimme von Trixatus, dessen Art es war, stets im Hintergrund zu bleiben, aber wenn es um Drialin ging, so hob er sich doch hervor. Aber niemand beachtete im Moment den kleinen Eifersuchtsschub.
    Vanessa konnte nichts weiter feststellen, als dass Drialin das sagte, was alle wussten, wo die Helligkeit herkam, jedoch wollte sie sich dazu nicht äußern, zumal sie bemerkte, wie weit Zubla im siebten Himmel schwebte.
    „So haben wir den ersten Satz gelöst: wenn du in der Dunkelheit siehst. Und dann weiter hieß es: ‚Und du das Wahre erkennst’. Nun überlegt mal, was sie damit meinte“. Bewusst, die Neugier der Anwesenden geweckt zu haben, sah Drialin nach dieser Frage einen nach dem anderen an. Keiner konnte ihr antworten. „Nun“, brach sie das betroffene Schweigen. „Was ist das Wahre, frage ich euch. Wie kann man es auch anders ausdrücken?“
    „Ich denke, es kann auch das Wirkliche, das Reale, gemeint sein. Das Wahre, das man sieht“, antwortete Marxusta. „Und ich weiß auch, was du damit meinst, du kleines schlaues Geschöpf“, sagte der Zauberer weiter.
    Bei diesen Worten schwoll nicht die Brust Drialins, sondern die von Zubla. Er rückte näher an seine Freundin, um zu beweisen, dass er sehr stolz auf sie sei.
    „Du hast mir die Augen geöffnet. Ja, ja, ich sagte schon immer, nicht die Großen bekamen die Schlauheit, sie steckt vielmehr in den zierlichen Geschöpfen.“
    Dieses Lob war wohl zu viel für Zubla, denn er saß fast auf dem Schoß seiner Freundin, die ihn mit einem kleinen Schubs wieder auf Distanz brachte.
    „Der Dreh- und Angelpunkt ist wohl das wachsame Auge“, stellte der Zauberer fest. „Und ich glaube, auch die weitere Antwort zu kennen. Wenn du das Wahre erkennst, dann gehe dahinter. Wir müssen hinter das Auge gehen.“
    Marxusta stand auf und trat seitlich an das Auge. Vanessa wollte, erregt wie sie im Moment war, rechts neben dem alten Mann vorbei, dahinter laufen. Marxusta hielt sie fest und das keine Sekunde zu früh. Vor ihnen schwebten zwei Halbmonde vorbei, deren Klingen im schwachen Dunkel leuchteten, der eine in Kopfhöhe, der andere in der Höhe der Waden.
    „Hast du die anderen Worte vergessen, die da heißen: Erkennt das Wahre aber nicht dich, dann bist du des Todes.“
    Vanessa hörte die Worte nur in weiter Ferne, war sie

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