Das geheimnisvolle Tuch
das Zimmer dieser Herberge.“
Vinc erkannte jetzt Vanessa und auch Tom. Vanessa saß an einem kleinen Tisch und Tom lag auf der Erde vor Vincens Bett.
„Stimmt. Mensch, ich habe vielleicht einen Mist geträumt. Dadurch bin ich noch vollkommen durcheinander.“
„Was träumte dir denn?“, fragte Vanessa interessiert. Ihre Leidenschaft, Träume zu deuten erweckte wieder die Neugier.
„Erzähle ich euch später. Mich interessiert mehr, wieso ihr bei mir auf dem Zimmer seid und warum mein runder Freund auf dem Boden wie ein Fußabtreter liegt.“
„Gebe dir gleich mein runder Freund“, sagte Tom etwas gekränkt und versuchte sich schnell auf die Beine zu stellen, was ihm aber mit einem Plumps zurück auf sein Hinterteil gründlich misslang. „Ich suchte nach meinem kleinen runden Spiegel. Der war unter dein Bett gerollt.“
„Was fummelst du mit einem Spiegel rum?“, fragte Vinc, wartete aber keine Antwort ab sondern fügte hinzu: „Aber wieso seid ihr hier, anstatt noch im Bett zu liegen?“ Er eilte schnell hinter eine spanische Wand, denn er bemerkte erst jetzt, dass er vor dem Mädchen mit freiem Oberkörper und einer kurzen Schlafanzughose stand, die zu allem Überfluss auch noch einen Schlitz besaß. Hinter der Wand schaute er noch hastig nach, ob der Einschnitt nicht zu weit war, aber er stellte mit Erleichterung fest, dass die eine Hälfte davon die Öffnung überlappte.
Vanessa, die Vinc Verlegenheit bemerkte, meinte: „Brauchst dich nicht schämen. Habe schließlich einen Bruder.“
„Also, was führt euch zu mir, zu so früher Stunde?“, fragte Vinc, während er sich anzog.
„Früh?“, hörte er Vanessa fragen. „Es ist fast neun Uhr“, klärte sie ihn auf.
„Was? Schon so spät? Mann, da habe ich aber lange gepennt.“
Die Reihenfolgen seines allmorgendlichen Aufstehens geriet etwas durcheinander. Gewöhnlich wusch er sich zuerst, bevor er sich ankleidete. Aber was war schon gewöhnlich? Ein Traum mit abnormen Erlebnissen und auch nicht das späte Erwachen?
„Wir müssen machen, dass wir wieder nach Hause kommen. Die Ferien sind zu Ende“, prustete er, als er sein Gesicht unter den fließenden Wasserhahn hielt.
„Was soll das heißen? Ferien zu Ende? Die haben doch erst angefangen. Ich dachte, wir machen heute eine Schlossbesichtigung. Darin ist es kühl und wir entkommen der Sommerhitze“, schlug Vanessa vor.
Vinc wischte hastig sein Gesicht mit einem Handtuch ab, kam hinter der spanischen Wand hervor und stellte sich vor Vanessa. Sie saß noch auf dem Stuhl, somit musste er auf sie hinabschauen, was ihm überheblich vorkam. Er kniete vor ihr nieder.
„Die Ferien haben angefangen? Habe ich nicht mehr alle in der Kredenz oder ihr?“
„Was denkst du wohl, was ich dir antworten werde?“, hörte Vinc Tom hinter sich sagen. „Willst du meiner Schwester einen Antrag machen? Ich meine, weil du vor ihr kniest.“
„Tom“, sagte Vanessa.
„Ja?“, fragte er.
„Halt die Klappe“, meinte sie mit einem unfreundlichen Ton.
„Also gut. Wollen wir einmal miteinander folgendes durchgehen.“ Vinc setzte sich auf einen der Stühle und ignorierte Toms Bemerkung. Er hatte sich längst an die Frotzeleien seines Freundes bezüglich auf das Verhältnis zu Vanessa gewöhnt. Er fragte: „Wir sind warum hier?“
„Na, weil uns jemand darum gebeten hatte“, antwortete Vanessa.
„Richtig! Und was sollen wir hier tun?“, fragte Vinc weiter.
„Na, aufklären, wieso wir eine Ähnlichkeit mit den Kindern im Buch haben“, bemerkte Tom.
„Richtig. Und haben wir das schon?“
„Ja, das haben wir gestern getan. Wir waren im Schloss und durften es ausnahmsweise besichtigen“, erklärte Vanessa und fügte verwundert hinzu: „Du warst doch dabei.“ Sie wurde nachdenklich. „Allerdings geschahen da etwas merkwürdige Dinge. Man führte uns nach oben und in irgendwelche Zimmer. Dann weiß ich nichts mehr. Ich muss dort eingeschlafen sein.“ Sie grübelte weiter, aber es schien, als sei ab diesem Zeitpunkt einiges aus ihrem Gedächtnis gelöscht. Aber wieso konnte sie sich nicht mehr erinnern?
„Ich bin auch eingeschlafen und habe einen Blödsinn geträumt. Kann mich bloß nicht daran entsinnen“, meinte Tom. „Weiß nur, dass ich in dem Zimmer der Herberge wieder aufwachte.“
Vanessa ging unruhig im Zimmer auf und ab, so als würde sie von jemand geführt. Als sie aus dem Fenster sah, drehte sie sich spontan um und sagte hastig: „Ich sah Jim da draußen. Ich spüre,
Weitere Kostenlose Bücher