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Das geheimnisvolle Tuch

Das geheimnisvolle Tuch

Titel: Das geheimnisvolle Tuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Vehler
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wie konnte er durch das Tor kommen, ohne eingequetscht zu werden?
    Er musste den Rhythmus des Auf- und Zugehens herausfinden, um im passenden Moment hindurch zu gelangen. Nachdem er die Zeitabstände des regelmäßigen Hin und Her des Tores kannte, entschloss er sich, diesen Schritt des Ungewissen zu wagen.
    „Lass das!“, hörte er eine Stimme. Hörte er sie wirklich oder bildete er sich das einmal wieder ein? „Geh da nicht hinein! Such einen anderen Weg!“
    „Es gibt keinen anderen!“, rief er, nicht wissend, zu wem.
    Er sah den Zeitpunkt gekommen und lief auf die Öffnung zu. Laut und deutlich hörte er hinter sich: „Nein! Nicht! Das ist das Tor ohne Wiederkehr!“
    Er vernahm diese Warnung inmitten des Spurtes. Selbst wenn er noch stoppte, es wäre zu spät. Sein Stillstand würde genau in dem Tor sein, ein Einquetschen wäre die Folge, endend mit einer tödlichen Verletzung, ohne Zweifel.
    So also lief er hinein, in das Ungewisse.
    Er spürte, wie das Tor ihn streifte.
    Zitternd stand er auf der anderen Seite.
    Noch klangen ihm die warnenden Worte im Ohr, der letzte Satz, der da lautete: das Tor ohne Wiederkehr.
    Woher kam diese Warnung?
    Die Worte „ohne Wiederkehr“ saugten sich an seine Nerven wie ein Ballast, den er versuchen musste, abzuwerfen. Doch nicht nur an den Nerven zehrten diese Worte, sondern sie gruben sich fest in sein Gehirn. Angesichts der letzten Minuten voller Todesangst, das Bangen um sein Leben, erfasste ihn eine Panik. Hastig drehte er sich um, in der Hoffnung, seinen Entschluss doch noch rückgängig machen zu können, doch da sah er eine Mauer, unüberschaubar in der Höhe, wie auch in der Ausdehnung. Dort, wo der Einlass des Tores war, erblickte er ein Bild gleich des Einganges, mit alter Farbe gezeichnet. Links und rechts befanden sich seltsame, durch ihr Alter und Witterung, vergilbte Zeichnungen.
    Besonders auffällig ein Engel mit verbundenen Augen, ringsum Dornen, gleich der Hecke, die ihn fast umbrachte.
    Zu seiner Linken erblickte er den Kopf des Unholdes, den er zuvor an der Hecke sah, diesmal in Stein gemeißelt.
    Er trat näher zu dem Bildnis und schrak zurück. Ihm war, als habe er sich bewegt, so als wäre er leibhaftig und nicht starr aus Stein. Angespannte Nerven erzeugten oft Fantasien.
    Er schalt sich selbst einen Narren.
    Was mochten diese Figuren für Symbole sein?
    Ein Brunnen, Zeichnungen von Wasser speienden Schlangen, alten Schlössern und Kapellen, Bücher mit eigenartigen Zeichen.
    Plötzlich roch er etwas, was er nicht so recht deuten konnte, das sich in seine Nase einsog. Ihm fiel der Chemieunterricht ein und auch der Gestank, der bei einem Experiment verursacht wurde, ein widerlicher Schwefelgeruch.
    Hurtig drehte er sich um. Er erblickte zu seinem Schrecken eine riesige Gestalt. Er sah die Fratze des Bildes, das er kurz zuvor betrachtete, nur hier in der Wirklichkeit viel größer.
    Vinc erkannte den Unhold vor der Hecke. Da hörte er auch wieder das furchtbare Lachen.
    „Ho! Ho! Ho!“ Das Scheusal schien sehr ausgelassen, trotz der vorherigen Niederlage und dem schmerzhaften, wenn auch nur offenbar kurzfristigem Ausfall des Sehvermögens.
    „Schau her, du Erdwurm in meinem Schwanz! Schau zu, bei meinem Teufelstanz!“
    Erst wippte er mit seiner massigen Größe hin und her, gleich einem tanzenden Bären, dann hüpfte er auf und ab und zu guter Letzt drehte er sich im Kreis, dass selbst beim Zuschauen dem Jungen schlecht wurde. Um den Tanzenden loderten unentwegt kleine Flämmchen auf und verursachten den Gestank.
    Vinc fasste Mut und dachte, wenn er so gut gelaunt ist, dann wird er wohl nichts gegen eine Frage haben. „Bist du der Teufel?“
    „Schweig! Mein Herr und Meister möchte nicht gerufen werden. Er könnte darüber sehr ungnädig sein und auf uns beide böse werden.“
    Vinc atmete auf. Der Teufel war unbesiegbar und ohne Gnade, aber dies schien nur ein Untertan zu sein. „Ihr denkt, mich besiegt zu haben? Du und die Eishexe! Mich, die rechte Hand des Meisters?“
    „Sag doch Teufel.“
    „Ich sagte, du sollst schweigen! Wenn du das Wort nennst, rufst du ihn.“ Er deutete mit seiner Pranke in Richtung der Erde.
    „Warum bist du so gut gelaunt?“
    Das Untier hörte nicht hin, denn es befand sich erneut in Tanzlaune, taumelte dabei von einem Freudentaumel in den anderen. Dann hielt es je inne, wandte sich zu dem Zuschauer und sagte: „Ich gebe dir eine Chance. Ergreif sie, sonst werde ich dich da aufhängen und den Raben zum

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