Das geheimnisvolle Tuch

Antlitz leuchtete es nicht mehr.
    Wie hieß es nur? Es geschah irgendwo im Orient. Es war zum Verzweifeln, dass es ihm nicht einfiel, obwohl er das Buch schon öfter gelesen, welches aus mehreren abenteuerlichen Geschichten bestand und seine Lieblingsabenteuer beinhalteten.
    „Tausend und eine Nacht“, rief er erregt. Und nun fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. „Alibaba und die vierzig Räuber.“ Er zitterte vor Aufregung. Aber wie hieß dieses Wort nur? Wieso ausgerechnet jetzt knurrte ihm der Magen und erinnerte ihn an das Essen? Jetzt, wo ihm das Wort auf den Lippen lag. Plötzlich wusste er, dass ihm eine Macht half, die Lösung zu finden, denn er erinnerte sich angesichts seines Appetites an das Frühstück und es fiel ihm ein, was er da am liebsten mochte. Ein schönes frisches Sesambrötchen.
    Er musste das Wort Sesam in das Buch hineinschreiben. Aber wie? Ohne ein Schreibutensil.
    Er las noch einmal in dem wunderbaren Schriftstück: „Benutze das Lösungswort, das da kommt von der Sprache Ort.“
    Nun fiel es ihm wie Schuppen von den Augen und er schalt sich selbst einen Tor.
    „Manchmal ist man wirklich behämmert. Der Sprache Ort ist der Mund.“ Er stellte sich vor die Wand und überflog sie mit seinen Augen als er sagte: „Sesam.“
    Sein Blick schien die Mauer fast durchbohren zu wollen, so sehr sehnte er sich nach der Öffnung, aber nichts geschah.
    Er sagte es verzweifelt wieder und immer wieder. Er schaute noch einmal in das Buch.
    „Es kann doch nicht anders sein“, murmelte er. „Ich sage doch Sesam.“ Kaum, dass er dieses Wort gesprochen, sah er plötzlich eine Landschaft mit Hügeln vor sich.
    Er erkannte seinen Fehler, denn er musste die Worte in das Buch sprechen und nicht gegen den Fels.

    ***

    Das Gebiet, das sich vor ihm ausbreitete, flößte durch sein tristes und unheimliches Aussehen Furcht ein.
    In unüberschaubarer Masse reihten sich kleine Hügel bis an den fernen Horizont aneinander, so als befände sich hier übergroße Maulwürfe.
    Er sah einen Himmel, rot wie Purpur, nicht die Sonne, noch das sonst gewohnte Blau des Firmamentes.
    Eine bizarre Landschaft.
    Und plötzlich fielen ihm die Worte des kleinen Wesens im Haus wieder ein, die lauteten: ‚Beeile dich, bevor die Hügel sich öffnen.’
    Wann würden sich die Hügel öffnen?
    Er schritt zwischen ihnen, starr nach vorne schauend, um nur die zu sehen, die weiter vor ihm lagen. Manche sahen aus wie frisch gehäufelt, andere wiederum zerfallen und mit irgendeinem vegetarischen Zeug überzogen.
    Die Luft erfüllte ein eigenartiges Heulen und Klagen, nicht laut und aufdringlich, sondern gedämpft und lieblich.
    Er wagte nicht, eine Pause einzulegen, zu unheimlich wirkte diese Region.
    Ein Hügel mit einem Gedenkstein fiel ihm besonders ins Auge. Er schritt neugierig hin. In Granit gemeißelt, sah er wieder den Engel mit verbundenen Augen und die Teufelsfratze.
    Auf einem kleinen Absatz lag etwas, was ihn in einen Freudentaumel versetzte.
    Er sah den grünen Stein, das heiß begehrte Kleinod seiner Rettung. Sein Blick starr auf ihn gerichtet, aus Angst, es könne eine Täuschung sein und durch Abwenden seiner Augen verschwinden, eilte er auf ihn zu und wollte ihn nehmen, als ein Blitz vor ihm einschlug.
    Eine undurchdringbare Barriere umgab das Ornament auf dem Hügel.
    Ein unsichtbarer Schutz hinderte ihn daran, an seine Lebensrettung zu gelangen.
    Ob er wieder ein Rätsel lösen musste? Er sah auf das Buch. Es lag ohne irgendwelche Anzeichen in seinen Händen, so als wäre es nie im Einsatz gewesen.
    Der Stein seiner Rettung war so nah und doch zugleich unerreichbar.
    Ein Spiel des Teufels?
    Er sah in die Höhe und der Himmel ward noch roter als vorher.
    Er schaute sich nach einer Sitzgelegenheit um, um in Ruhe nachdenken zu können. Ein Stein in der Nähe erschien ihm die beste Möglichkeit, sich darauf zu setzen.
    Was war nur geschehen?
    Er sann nach, was ihm die kleine Elfe, oder soll heißen seine Gedanken, ihm am Anfang sagten. Er wiederholte die Sätze, soweit in seiner Erinnerung, fast flüsternd:
    „Gehe immer geradeaus. Mach ich doch. Bisher konnte ich ja nur so gehen, wie man es mir zuließ. Was sagte sie noch? Ja richtig. Gehe so schnell wie möglich durch das Tal der Hügel, bevor diese aufgehen.“
    Er sprach aufgeregter zu sich. Dieses Selbstgespräch diente dazu, um irgendeine Stimme zu hören, einen menschlichen Laut, wenn es auch seine eigene war.
    Um die Gegend noch einmal gründlich in